■ Israel: Die Perspektiven nach dem Anschlag von Jerusalem
: Keine Sicherheit – kein Frieden

Sicherheit und Frieden – dieses Begriffspaar stand im Mittelpunkt des israelischen Wahlkampfes im Mai 1996. Die beiden Spitzenkandidaten, Benjamin Netanjahu vom Likud-Block und Shimon Peres von der Arbeitspartei, unterschieden sich allerdings in der Akzentuierung: Netanjahu, der Arafat „nie“ die Hand schütteln wollte und sich in der Folge nur widerwillig auf den in Oslo begonnenen Friedensprozeß mit den Palästinensern einließ, stellte die Sicherheit in den Mittelpunkt – Peres seine aktive Bereitschaft, auf dem eingeschlagenen Weg fortzufahren, von einer Position der (militärischen) Stärke Israels aus.

Es war gerade der Friedensprozeß gewesen, der der israelischen Bevölkerung die leidvolle Erfahrung des Terrorismus im eigenen Land gebracht hatte. Die Anschläge verfolgten das mörderische Ziel, so viele Menschen wie möglich zu treffen, verbunden mit der politischen Absicht – sofern man davon überhaupt reden kann –, den schwierigen Verhandlungsprozeß zum Abbruch zu bringen. Als die Arbeitspartei noch die Regierung stellte, ließen ihre führenden Vertreter keinen Zweifel daran, daß der Friedensprozeß ungeachtet der Anschläge fortgesetzt werden würde. Die jetzigen Reaktionen – Aussetzung des Dialogs, Absage der Vermittlungsreise von US-Unterhändler Ross ohne neuen Termin – zeigen, wieviel sich zwischenzeitlich geändert hat. Namentlich die US-amerikanische Reaktion wirkt, als hätte man das heiße Eisen nur zu gerne fallenlassen.

So ist es jetzt die palästinensische Seite, die warnend anmerkt, ein ernsthafter Friedensprozeß sei das einzige Mittel, den Attentätern das Handwerk zu legen. Doch wenn die Palästinenser ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen wollen, reichen solche Worte nicht aus. Jedesmal das drohende Wort „Kriegserklärung“ in den Mund zu nehmen, etwa wenn ein neues Siedlungsprojekt angekündigt wird, oder Attentäter nur halbherzig zu verfolgen, zeugt nicht von der beschworenen Ernsthaftigkeit.

Angesichts der Stagnation des Friedensprozesses, der Frustration unter den Palästinensern und der erratischen Politik Netanjahus ist Israel heute von Sicherheit und Frieden weiter entfernt denn je in den letzten Jahren. Auch unter der Arbeitspartei gab es keine Sicherheit für die israelische Bevölkerung, aber den Willen zum Frieden. Unter Netanjahu gibt es ebenso wenig Sicherheit, doch eine klare Perspektive für den Frieden gibt es auch nicht. Beate Seel