■ Rosi Rolands Bremer Geschichten
: Haller, die Ente

Eine Zeitungsente ist eine höchst spannende Angelegenheit: Sie ist unwahr, wie das Wort Ente sagt, und hat doch, sofern sie gut gemacht ist, eine tiefere Wahrheit. Der Ressortleiter Lokales vom Weser Kurier, der diese Woche die Ente „Wirtschaftsstaatsrat Haller wird Spitzenkandidat der AfB für 1999“fabriziert hat, ist ein Meister seines Faches. In dem knappen Text ist nicht der leiseste Hinweis auf die Quelle der Nachricht gegeben, alles sieht aus wie Mutmaßung und wildes Gerücht. Der einzige Mann, der zitiert wird, ist Haller selbst, und das mit einem merkwürdig schlappen Dementi: „Ich sage dazu nichts.“Einen Tag später dementierte Haller ein wenig stärker: „Die Vermutungen sind ohne realen Hintergrund“. Auch die AfB dementierte.

Sollte die Ente frei erfunden sein, also ein klassisches, dummes Gerücht? Das ist bei einem Ressortleiter undenkbar, sowas macht so einer nicht. Wer also hatte Interesse an dieser Ente? Die AfB sicherlich nicht, sie wird pietätsvoll schweigen, bis über ihren Spitzenmann Rebers entschieden ist. Die CDU, um Haller madig zu machen? Schon möglich. Gleichzeitig ist die Nachricht selbst viel zu plausibel: Der Wirtschaftsstaatsrat ist für seine Neigung, auf Senatoren ebene „mitspielen“zu wollen, bekannt. Viel zu lange hat er diverse Senatoren „präpariert“und mitansehen müssen, wie irgendeine Pappnase nicht nachbeten konnte, was er vorgeschrieben hatte. Beckmeyer, Jäger, Perschau – Haller kennt da keine Parteien. Gleichzeitig fürchtet Haller, daß das Bremer Sanierungsprogramm, das seine Handschrift trägt, scheitern wird, wenn jetzt nicht endlich einer rankommt, der es kann – und wer käme da in Frage außer dem Meister selbst? AfB-Spitzenmann und dann Wirtschaftssenator der Koalition, für die Haller mit der AfB schon 1995 Fäden gezogen hat.

Nur: Ein Staatsrat wird so leicht nicht Senator, das ist gegen die Kleiderordnung. Wenn Haller jetzt zurücktreten würde, sähe das zudem wie ein Kneifen aus. Als wenn er auf halber Strecke das Sanierungsprogramm, sein Sanierungsprogramm schon für gescheitert halten würde. Nur wenn der Staatsrat jetzt scheinbar gegen seinen Willen entlassen wird, kann er in einem Jahr sagen: Ich, Professor honoris causa, möchte jetzt Senator werden und es dem ewig grinsenden Perschau zeigen. Die Ente, scheinbar ohne Quelle journalistisch am Rande der Verantwortung, könnte also eine heimlich genannte Quelle haben. Im Dementi steckt die Quelle, ein journalistisches Meisterstück. Haller wird den Wirtschaftssenator weiter ärgern, damit der ihn endlich freisetzt, wettet

Ihre Rosi Roland