■ Zur Einkehr
: Im Kervan

Mittags auf die Schnelle muß es ja nicht immer Kaviar sein. Aber mit Pommes-rot-weiß den Gaumen vergrätzen, kommt auch nicht in Frage. Etwas Lecker-Exotisches wäre genau das Richtige. Auf zum Türken, auf ins Kervan.

Die Vorfreude auf einen leckeren Kebabteller verpufft zunächst in Ernüchterung. Träge dreht sich rohes Fleisch an den Dönerspießen, halb zwölf Uhr ist noch zu früh. Doch die bunt gefüllten Pfannen im Schaufenster locken. Gemüse und Fleisch sind mit frischen Kräutern garniert. Hier arrangierte Salatblätter, da eine Blume aus kunstvoll geschnittenen Tomaten, Petersiliensträuße auf Bratkartoffelbergen. Also den Teller voll bitte.

Mit kühnem Schwung hebt die Bedienung große Kellen „Lammkotelett mit gemischtem Gemüse“, „gemischtes Gemüse mit Joghurtsauce“und „gebratenen Blumenkohl mit Auberginen und Zwiebeln“auf das weiße Porzellan. Das Fleisch verschwindet unter einer weißen Joghurtdecke, Bratensaft und Auberginen mischen sich dazu. Ein Gemüsegebirge mit leichten Saucenausläufern in Richtung Tellerrand. Na und, im Magen kommt auch alles durcheinander.

Die „Linsensuppe“vorweg: Schön heiß, sämig, vier Mark. Sie schmeckt wie sie heißt, eine einzelnes Lins-chen glänzt am Boden der silbrigen Schüssel. Der Löffel klappert und erinnert an Zeltlager aus Kindertagen. Vom Hauptgang steigt Knoblauchgeruch in die Nase, und der erste Bissen Blumenkohl verrät die Liebe des Kochs zu Petersilie und Muskat. Die Auberginen rutschen den Schlund hinunter, doch knackt da etwa Sand zwischen den Zähnen? Das schmackhafte Lämmchen ist mürbe gebraten, und dank seiner leichten Trockenheit kann man damit mühelos die Bratensauce auf dem Tellerboden zu sich nehmen. Zurück bleibt ein angenehmer Nachgeschmack. Für zehn Mark ist das schon ein Bäuerchen wert.

Für diesen Preis einer Kinokarte gibt es im Kervan noch bewegende Bilder dazu. Von bequemen Holzstühlen an weißen Tischen aus unverwüstlichem Kunststoff hat der Esser freien Blick auf die Viertelszenerie. Junge Menschen mit abenteuerlichen Sonnenbrillen laufen bei bedecktem Himmel die Straße entlang. Die Straßenbahn bimmelt einen Falschparker von den Gleisen. Unterhalten von türkischer Popmusik lehnt sich der Gast gutgelaunt und wohlgesättigt zurück und verdaut. Das Fleisch an den Dönerspießen duftet jetzt. „Darf's noch ein Tee sein, auf Kosten des Hauses?“Aber gern, es darf.

Christian Sywottek

Kervan Restaurant, Vor dem Steintor 49