Patienten sollen für Klinik-Renovierung blechen

■ Wer die 20 Mark „Notopfer“verweigert, dem kann vorerst aber rein gar nichts passieren - der Verwaltungsaufwand für die Rechnungen lohnt sich nicht

Gegen den baulichen Verfall von deutschen Krankenhäusern gibt es jetzt ein Rezept: Das sogenannte „Notopfer“. Die Zahlung von jährlich 20 Mark hat der Gesetzgeber per Gesundheitsreformgesetz den Krankenversicherten zusätzlich zum Versichertenbeitrag aufgebrummt – damit marode Heizungsanlagen erneuert, leckende Dächer abgedichtet und löchrige Kanalrohre repariert werden können.

Derartige Renovierungsarbeiten lägen weitgehend brach, nachdem das Bundesverwaltungsgericht in Münster die Länder 1993 von ihrer bis dato geltenden Instandhaltungspflicht für Kliniken befreit hatte, klagte jahrelang die Bremer Krankenhausgesellschaft. Sie bezifferteden „Investitionsstau“auf rund 100 Millionen Mark. Doch auch die neue „Notopfer“-Lösung hat Lücken. Welche, darüber sprach die taz mit Andrea Kaula vom Verband der Angestelltenkrankenkassen in Bremen.

taz: Ab diesem Jahr sollen Versicherte für die Klinikrenovierung extra zahlen. Wieviel Mark kommen da für Bremer Kliniken zusammen?

Kaula: Für die Instandhaltung der Bremer Krankenhäuser haben die Krankenkassen im diesjährigen Budget bereits knapp acht Millionen Mark beschlossen – Geld, das das Land Bremen nicht in Instandsetzung investiert.

Wann bekommen wir Versicherten also die ersten „Notopfer“Rechnungen?

Das ist schwer zu sagen. Die Krankenkassen beraten noch, denn es lohnt sich natürlich nicht, jedes Jahr eine Rechnung über 20 Mark auszustellen und einzutreiben. Man wird sich überlegen müssen, ob es statt dessen nicht vernünftig ist, alle drei Jahre sechzig Mark einzutreiben.

Das ist anders als im Gesetz beschlossen...

Ja, aber der Verwaltungsaufwand, die Rechnung zu schreiben, dieses Notopfer einzuziehen und womöglich noch Mahnungen zu schreiben, lohnt sich kaum.

Wenn man die Verwaltungskosten abzieht – wieviel von dem Geld kommt dann noch am Ziel an?

Die Krankenhäuser bekommen ihr Geld in jedem Fall. Daran ist nicht zu rütteln. Nur uns sagt jetzt der Gesetzgeber, holt euch das Geld von den Versicherten zurück...

...was unter Umständen dauern kann. Bekanntlich wird kein Vollstrecker wegen solcher nicht bezahlter Kleckerbeträge ausrücken.Wer nicht zahlt, bleibt also unbehelligt.

Richtig. Das hat mit der Kosten-Nutzen-Rechnung zu tun und war vom ersten Tag an die Kritik der Krankenkassen. Viele Kassen haben von Anfang an versucht, sich gegen die jetzt beschlossene Regelung zu wehren. Jetzt versuchen wir, zu einer kostengünstigen Lösung zu kommen.

Im Klartext heißt das: Weil Sie keine Handhabe haben, diesen Minibetrag von den Versicherten einzutreiben, können diese sich zurücklehnen – und bekommen in diesem Jahr noch keine Rechnung?

Es sieht so aus.

Wollte der Gesetzgeber die Kassen ärgern? Schließlich sind die bürokratischen Hürden, die diese jetzt nehmen müssen, schon lange klar.

Das müssen Sie den Gesetzgeber fragen, zumal es noch viel mehr Regelungen gibt, die aus unserer Sicht wirklich unsinnig sind und vor allem dazu führen, daß Versicherte immer stärker belastet werden.

Nicht von jedem wird das „Notopfer“eingefordert.

Ja. Die 20 Mark nicht zahlen müssen mitversicherte Familienangehörige beispielsweise – und alle, die unter Sozialklauseln fallen wie Bezieher niedriger Einkommen, Arbeitslosenhilfeempfänger,

BAföG-Empfänger.

Das Problem, den „Notgroschen“einzutreiben, stellt sich bundesweit. Werden die Kassen ein einheitliches Verfahren wählen?

Daß dies bei über 200 verschiedenen Krankenkassen im Bundesgebiet einheitlich geregelt wird, kann ich mir nicht vorstellen. Aber ich bin sicher, daß es in einzelnen Ländern zu gleichlautenden Regelungen kommt.

Wenn die Kassen in Bremen mit dem Eintreiben warten, bis „vollstreckbare“60 Mark zusammenkommen, müssen sie zwei bis drei Jahre mit rund 20 Millionen Mark für Klinikrenovierungen in Vorlage gehen. Was bedeutet das für die Kassen?

Eine nicht unerhebliche Belastung. Die eigentlich geplante kostenneutrale Regelung zugunsten der Bundesländer, also zugunsten des Steuersäckels, ist das wohl nicht. Fragen: Eva Rhode