Massenhysterie für die Medien

■ Hunderte von Fans warteten vor dem Konzert am Olympiastadion auf den King of Pop, Michael Jackson. Doch die erwartete Hysterie der jugendlichen Fans hielt sich in Grenzen

Um 12.30 Uhr schallen die Sprechchöre über den Platz vor dem Olympiastadion: „Jacko, Jacko!“ Ist ER schon da? Kein Jacko weit und breit. Statt dessen einige Journalisten, die die schreienden Fans für ihre Mikrophone immer wieder zu neuen Begeisterungsstürmen motivieren. Die Massenhysterie der Fans wird nur für die Medien inszeniert.

Kaum ist das Mikro eingepackt, herrscht wieder Ordnung auf dem Platz. Die Fans, hauptsächlich Teenager, lagern schon seit Stunden vor dem Tor, um beim Einlaß um 15 Uhr die ersten zu sein. „Jackson-Döner“ wird für fünf Mark angepriesen, einige hundert Fans sitzen oder liegen in der Sonne, um sich nicht schon vor dem Event zu verausgaben. Auf dem Schwarzmarkt sind die Tickets unter dem offiziellen Preis zu haben. Jackson-Doubles schleichen über das Pflaster, doch nur Tuan, 17 Jahre alt und aus Venezuela, legt einige kleine Showeinlagen für die Kamera hin. Mit seinen schwarzen Haaren, dem dunklen Hut und der Gesichtsmaske überzeugt er ebenso wie mit den Tanzeinlagen, auch wenn er die Hand gar nicht mehr vom Schritt nehmen möchte.

Die 17jährige Bruni ist eigens am Freitag morgen um 3.30 Uhr mit ihrer Freundin aus Stuttgart angereist, um Michael Jackson live zu erleben – nicht zum ersten Mal, versteht sich. Sie war bereits auf fünf Konzerten und hat schon mehrere hundert Mark verbraten, um ihrem Idol ein wenig näher zu sein. 82,50 Mark pro Karte, die Bahnfahrt und dann noch zwei obligatorische Nächte im „Four Seasons“-Hotel am Gendarmenmarkt – wo Michael nicht mal selbst schläft, sondern nur seine Band absteigen läßt. In ihrer Euphorie hat sie schon einen kleinen Schuldenberg angehäuft, von dem die Eltern nichts erfahren dürfen. „Die lassen mich sonst nie wieder zu ihm.“ Das nächste Konzert am Sonntag in Leipzig ist schon gestrichen, weil die Eltern irgendwie doch erfahren haben, daß Bruni da heimlich hinwollte. Aber am 10. August in Hockenheim, beim übernächsten Jackson-Auftritt, ist sie auf jeden Fall wieder dabei.

Auch May und Anke aus Berlin sind hartgesotten. Sie harren, nur mit einer Decke und Pullover, schon seit Donnerstag abend vor dem Olympiastadion aus. Auch sie haben darauf gehofft, die ersten zu sein, doch daraus wird wohl nichts. „Als wir gestern abend um halb neun ankamen, waren schon über 100 Leute da.“ Hinterherreisen werden sie Michael wohl nicht. Das hätten sie nur für Take That vor zwei Jahren getan. „Wir sind schließlich nicht mehr so hysterisch wie früher“, sagen die beiden Siebzehnjährigen. „Man wird ja auch mal erwachsen.“ Corinna Budras