Ökologisch oder ein Nullsummenspiel?

Wo wohnt es sich ökologischer, im Altbau in der Innenstadt, im Reihenhaus weit draußen oder in der Blockhütte am Berghang? Schwer zu sagen, denn Ökobilanzen für Häuser sind noch immer Rechnungen mit vielen Unbekannten  ■ Von Jochen Siemer

Jedes Bauvorhaben hat Auswirkungen auf die Umwelt. So griffig formuliert es das Umweltbundesamt in seinem Leitfaden zum ökologisch orientierten Bauen. In diesem Punkt unterscheiden sich Immobilien nicht von anderen Investitionsgütern. Und genau wie bei Staubsaugern oder Schokoriegeln ist auch beim Bau die Bilanz der Auswirkungen auf die Umwelt letztlich nur die Summe der negativen Effekte aus drei Daseinszyklen: Produktion, Nutzung und Entsorgung.

Wer aber in einschlägigen Kreisen nachfragt, was denn nun ökologischer ist, das Wohnen im Gründerzeit-Mietshaus in Citynähe, im Reihenhaus im Außenbezirk oder in der Blockhütte am Berghang, der wird enttäuscht: „Häuser lassen sich nicht miteinander vergleichen“, sagt Cornelia Rösner vom Deutschen Institut für Urbanistik. Zu mannigfaltig sind die Wechselwirkungen zwischen gebauter und natürlicher Umwelt.

Immerhin ist das Bestreben, bei der Schaffung von Wohnraum sparsam mit den natürlichen Ressourcen umzugehen, längst kein Randgruppenphänomen mehr. Kaum ein Häuslebauer, der sich nicht Gedanken über die ökologischen Auswirkungen seines Projekts macht. Und wo viele fragen, gibt es natürlich eine Menge unterschiedlicher Antworten.

Den ersten und wichtigsten Aspekt des vielschichtigen Problems benennt Markus Koch vom Karlsruher Institut für industrielle Bauweisen: Muß ich überhaupt bauen? Schießlich läßt sich an Material- und Energiereserven, vor allem aber am knappen Grund und Boden sparen, indem vorhandene Bausubstanz neu genutzt wird. Das bedeutet natürlich auch: Wer die flächen- und materialschonende Siedlungsweise des Mehrfamilienhauses gegen den Luxus eines Eigenheims eintauscht, hat schon vor Baubeginn in seiner persönlichen Ökobilanz jede Menge Minuspunkte gesammelt.

Auf der Habenseite steht dafür bei Neubauten in erster Linie ein sparsamer Umgang mit Energie. Kein Nebenaspekt, stammt doch ein knappes Drittel der deutschen CO2-Emissionen aus Gebäudeheizungen. Und den Anteil von Heizung und Warmwassererzeugung am gesamten Ressourcenverbrauch eines durchschnittlichen Wohnhauses schätzen Fachleute gar auf rund 60 Prozent. Freilich sind dies nur allgemeine statistische Größen, denn der Engergieverbrauch schwankt enorm, je nach Bauweise eines Hauses. Altbauten besipielsweise haben einen Energiebedarf von bis zu 270 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter und Jahr. Das entspricht rund 25 Litern Heizöl. Die Wärmeschutzverordnung 1995 legt dagegen einen Bedarf von rund 120 kWh zugrunde. Und von einem Niedrigenergiehaus darf ernsthaft nur sprechen, wer nochmals 30 bis 50 Prozent weniger verbraucht.

Über die Bilanz sagt dies jedoch wenig. „Ich kann ein ganzes Neubaugebiet aus Niedrigenergiehäusern bauen“, erläutert Klaus Michael vom Detmolder Niedrig- Energie-Institut. „Wenn es ungünstig liegt und die Leute deshalb mehr mit dem Auto fahren, ist das nichts als ein Nullsummenspiel mit hohem Investitionsaufwand.“

Das Für und Wider beherrscht auch die Auswahl der Baustoffe. Selbst Beton, wegen hohen Rohstoff- und Energieverbrauchs bei der Herstellung unter ökologischen Gesichtspunkten eigentlich chancenlos, hat seine Vorteile: lange Lebensdauer, materialsparende Bauweise und gute Wärmespeicherung. Es kommt eben darauf an, was man daraus macht.

Auf der anderen Seite gilt selbst Holz nicht vorbehaltlos als mustergültig. „Reines Schnittholz ist ökologisch gesehen zwar kaum schlagbar“, räumt Michael vom Niedrig- Energie-Institut ein, „aber sobald es zum Beispiel zu Fertigbauplatten weiterverarbeitet wird, braucht man doch eine Menge Energie.“

Massivholz dagegen ist ein vielseitig verwendbarer Baustoff, der CO2 sogar in großen Mengen bindet, anstatt es freizusetzen. Wenn auf chemische Behandlung verzichtet wird, ist es obendrein leicht zu entsorgen. Allerdings bleibt dieser Faktor in der Umweltbilanz eines Hauses ein reiner Schätzwert, so Kathrin Ankele vom Berliner Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung. Das Recycling von Baustoffen ist hierzulande nämlich bislang auf wenige Modellprojekte beschränkt. Meist wandern Häuser in toto auf die Bauschuttdeponie. Dabei ließe sich die Gesamtrechnung hier positiv beeinflussen: Den – nicht mehr verwertbaren – Bodenaushub mitgerechnet, besteht der deutsche Müllberg schließlich zu rund 70 Prozent aus Bauschutt.