■ Weißrußland ist auf dem Weg in die totale Isolation
: Endstation Minsk

Man kann Boris Jelzin nur beglückwünschen. Seine scharfe Kritik an der Verhaftung von zwei russischen Fernsehjournalisten in Weißrußland und die Verschiebung der Visite des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko in Kaliningrad macht eins deutlich: Endlich dämmert es auch dem russischen Staatschef, daß mit Lukaschenko kein Staat, ja nicht einmal eine Union zu machen ist.

Diese harsche Reaktion aus Moskau war längst fällig. Denn das Einknasten von Oppositionellen und Journalisten sowie die Aus- und Gleichschaltung unabhängiger Medien gehören in Weißrußland schon seit langem zum Alltag. Doch bislang sah Moskau keinen Handlungsbedarf. Als sich Lukaschenko im vergangenen November unter dem legalistischen Deckmäntelchen eines Referendums alle Macht im Staate aneignete, verteidigte der russische Premierminister Viktor Tschernomyrdin dieses Vorgehen. Nachbesserungen am Unionsvertrag zwischen den beiden Staaten fanden weniger aus Protest gegen das autoritäre Regime in Minsk als auf Druck liberaler Kräfte in der Moskauer Zentrale statt.

Ob Jelzins Intervention am Kurs des weißrussischen Despoten allerdings jetzt noch irgend etwas ändert, ist mehr als zweifelhaft. Denn Lukaschenkos Vorgehen gegen russische Journalisten beweist, daß er bereit ist, um seines Machtwahns willen sogar mit dem letzten noch verbliebenen Verbündeten zu brechen. Für den ehemaligen Kolchosvorsitzenden, dem mittlerweile Demenz im fortgeschrittenen Stadium bescheinigt werden kann, hört eben auch die Freundschaft zum einst so heißgeliebten Bruder dort auf, wo eine wie auch immer geartete Kritik an seinem diktatorischen Regime beginnt. Auch wenn das Signal aus Moskau überfällig war – der neue Kurs kann für die Menschen in Weißrußland fatale Folgen haben.

Schon jetzt ist das Land, dank Lukaschenko, außenpolitisch weitgehend isoliert. Wirtschaftreformen, durch den Präsidenten erfolgreich hintertrieben, kommen nicht voran. Sollte jetzt auch noch Moskau dem Nachbarn die kalte Schulter zeigen, verlöre auch die weißrussische Opposition, die auf einen mäßigenden Einfluß der Liberalen im Kreml setzt, eine wichtige Stütze und verstummt vielleicht bald ganz. Eine eindeutige Stellungnahme aus Moskau hätte zu einem früheren Zeitpunkt vielleicht noch etwas bewirken können. Doch jetzt ist der Zug, mit Endstation Minsk, wohl abgefahren. Barbara Oertel