Manager mit Torjägerinstinkt

Gesichter der Großstadt: Dieter Hoeneß galt als unbeholfener Fußballer. Als Manager soll er Hertha BSC jetzt wirtschaftlich erstklassig machen  ■ Von Rolf Lautenschläger

Wenn die Dinge in der Luft lagen, hat sich Dieter Hoeneß stets nach ihnen gereckt und die Sache meistens vollendet. Das tat (und tut) er nicht immer elegant und nicht immer ohne Blessuren, aber doch recht erfolgreich: Als Fußballstürmer und „Kopfballspezialist“, TV-Produzent, Vereinsvizepräsident oder, wie seit Beginn dieses Jahres, als Manager des Bundesligisten Hertha BSC. Und er hat dabei nicht nur nach oben, sondern auch nach vorn geblickt: „Die Vergangenheit interessiert mich nur selten“, sagt der 44 Jahre alte Exfußballprofi. „Ich bin ein Mensch, der lieber in die Zukunft sieht. Und da verspricht die Arbeit für Hertha viel Positives.“ Bei der einstigen Skandalnudel des deutschen Fußballs gelte es „zu vollenden“, was lange vorbereitet worden war: „Berlin wieder zu einer der ersten Adressen im Fußball zu machen.“

Der Job bei Hertha kam wie eine Flanke, zu der sich Hoeneß wie einst hochgeschraubt, den Gegner weggedrückt und schließlich den Ball eingeköpft hat. Nach seinem Rauswurf als Jungmanager beim VfB Stuttgart und einem Intermezzo für die Top Vision GmbH, die Sat.1 und RTL mit Fernsehbeiträgen bedient, waren die neuen Herren des Vereins, Hertha-Präsident Manfred Zemaitat und Bertelsmann-Vorstandsmitglied Rolf Schmidt-Holtz, im Herbst 1996 an Hoeneß herangetreten, um ihn als Vizepräsidenten zu bestellen. Hoeneß schlug mit Torjägerinstinkt zu: Ganze 62 Minuten habe die Verhandlung gedauert, betonte damals Schmidt- Holz.

Nur kurze Zeit später erklärte Hoeneß das Ziel seines Daseins an der Spree. „Der Aufstieg muß kommen“, sagte er. Und Hertha sollte als Unternehmen, „mit dem finanziellen Know-how des Hamburger Medienkonzerns Ufa“, geführt werden. Wenige Wochen später kantete Hoeneß den damaligen Manager Karlheinz Rühl – einen Vereinsstrategen alter Prägung – aus dem Sessel. Seither regiert der Top-Herthaner mit flottem Wagen, Schlips und Krawatte in der Geschäftsstelle, die einem modernen Betrieb ähnlicher ist als einem traditionsreichen Bolzklub samt Vereinsheim und Stammtisch.

Wie sein cleverer Bruder Uli beim FC Bayern München will Hoeneß Hertha BSC als Wirtschaftsunternehmen mit Tendenz zur Börse leiten. Markt, Sponsoring und Transfers gehören zum hauptsächlichen Vokabular des Neu-Berliners. „Man muß ein Gefühl für den Markt bekommen und die Frage klären, wer wo zu haben ist und zu welchem Preis.“ So reden Industriebosse oder Medienmoguln, die sagen, was sie kaufen oder verkaufen möchten.

Trotzdem stört es Hoeneß, daß es ihm nicht ganz leicht fiel, nach dem gelungenen Aufstieg in die erste Liga mit Hertha gleich richtig Tritt zu fassen. Als großspurig ausposaunte Verpflichtungen mit Stars wie Thomas Häßler (KSC), Andreas Thom (Celtic Glasgow), Oliver Kreuzer (Bayern) oder Rostocks Stefan Beinlich platzten und er von der Presse angegangen wurde, lobte sich Hoeneß selbst für das „Risiko“, solche Namen nach Berlin holen zu wollen. „Vielleicht klappt's ja später“, zog er sich aus der Affäre – und heuerte ausländische Kicker wie den Holländer Roy an.

Dem großen Blonden mit dem schütteren Haar sind die Kritiker stets erst einmal auf den Füßen herumgetrampelt. Als der Ulmer Metzgersohn nach Amateurjahren vom VfB Stuttgart 1979 zu den Bayern wechselte, wurde aus dem „Schwabenpfeil“ in München ein „Briefbeschwerer“ oder die „Brechstange“. Zuschauer und Sportreporter amüsierten sich, wenn er, unbeholfen kickend, das Tor nicht traf. Als er einmal, trotz klaffender Platzwunde am Kopf, beim Pokalendspiel 1982 gegen den 1. FC Nürnberg den Bayern per Kopfballtor zum Sieg verhalf, schüttelte die ganze Nation das Haupt. Der „blutende Dickschädel“ hatte mit seiner linkischen, hingebungsvollen Kämpferart die Erwartungen der hämischen Fans wieder mal voll erfüllt. Die Zeit des Spotts hat dem Stürmerstar recht weh getan: „Da spürst du eine ungeheure Ohnmacht, wenn dir pausenlos Unbeholfenheit attestiert wird. Das Problem ist, daß dich Leute lächerlich machen, die du in jeder Hinsicht in die Tasche steckst.

Chronisten sehen den Kopfballspezialisten dennoch anders. Hoeneß bestritt 288 Bundesligaspiele und schoß für den VfB und die Bayern insgesamt 127 Tore. Sechsmal spielte er in der Nationalmannschaft, 1986 wurde er in den WM-Kader nach Mexiko berufen. Mit München schaffte Hoeneß vier Deutsche Meisterschaften und fünf Pokalsiege. „Ich habe mich bemüht, ehrliche Arbeit abzuliefern“, sagte er einmal programmatisch. Nasen- und Wadenbeinbrüche, Bänderisse und ein Augenhöhlentrümmerbruch belegen, daß er als Profi bis 1988 im Sturm immer in die vollen ging.

Natürlich hat es Hoeneß geärgert, daß er beim VfB Stuttgart nach Querelen mit VfB-Boß Gerhard Mayer-Vorfelder 1995 geschaßt wurde. Das Lehrgeld für die Fehler – er sah reglos zu, als Trainer Christoph Daum 1993 in der Europacup-Partie gegen Leeds verbotenerweise einen vierten ausländischen Spieler einwechselte – indessen hat er zum Teil wieder eingenommen. Mit Trainer Jürgen Röber, mit dem er in Stuttgart das „magische Dreieck“ der Spieler Balakow, Elber, Bobic aufbaute, arbeitet Hoeneß nun bei Hertha wieder zusammen.

Ein magisches Dreieck gibt es in Berlin bis dato noch nicht. Für derartige Investitionen fehlt das nötige Kleingeld. Die Ziele für die Saison definiert der Manager darum zurückhaltend bescheiden: „Man muß behutsam ein Stück aufs andere setzen.“ Doch dann steigt er plötzlich wieder hoch, um wie zum Tor einzunicken. „Einige werden sich noch wundern“, sagt Hoeneß.