Der Rechthaber behält recht

Seltsam ruhig bleiben die Münchner Bayern nach ihrer 0:1-Bundesligaauftakt-Pleite gegen den absolutistisch regierten 1. FC Kaiserslautern  ■ Aus München Markus Götting

Es ist selten geworden, daß Fußballtrainer Ehrenrunden laufen, da muß schon Großes vorfallen. Otto Rehhagel aber war gleich nach dem Abpfiff im wie immer ausverkauften Münchener Olympiastadion über die Reklamebande gesprungen und rübergelaufen in die Nordkurve, dorthin, wo die Fans seines 1. FC-Kaiserslautern einen 1:0-Auswärtssieg gegen den FC Bayern feierten. Aufsteiger schlägt deutschen Meister, das ist überraschend, aber etwas Großes? Rehhagel nannte dies „einen richtungsweisenden Sieg“. Getreu dem Werbemotto: Heute ein König.

Seinen absolutistischen Machtanspruch hatte er bereits vor dem Spiel dokumentiert, indem er seinen Routinier Andreas Brehme, der ein vorlautes Interview in der Lokalpresse gegeben hatte, auf die Ersatzbank verbannte. Da saß Brehme auch, in Zivilkleidung allerdings: Ein Weltmeister läßt sich nicht zum Reservisten degradieren. Im Fall einer Niederlage hätte Rehhagel dies wohl einigen Ärger eingebracht, wenn nicht in der 80. Minute eines durchschnittlichen Spiels ein Däne namens Michael Schjönberg den Freistoß des vormaligen Bayern-Kickers Ciraco Sforza per Kopf zum Tor des Tages umgelenkt hätte. Da hatte Rechthaber Rehhagel recht behalten.

Unumstritten ist er längst nicht auf dem Betzenberg, weil er jüngst öfter beim Vorstand oder bei Manager Hans-Peter Briegel aneckt. In seiner großen Güte, wie es Rehhagel in seiner großen Zurückhaltung formuliert, hat er dem Zeit- Magazin ein Interview gegeben – und damit allen, die sich Widerworte leisten, eins auf die Birne. Er glaubt, er könne sich das leisten, und inszeniert sich gern als Mann von Welt. Der Streit in der Pfalz sei „kleinkarierter Käse“, sagt er, und sollte der Verein nicht bald „die Zügel straffen“, droht der Otto mit dem Schlimmsten: „Ich bin freischaffender Künstler, ich kann jederzeit sagen: Okay, das war's.“

Der Aufstieg mit dem FCK, nun der Sieg gegen Bayern, für Rehhagel kommt dies einer Wiederauferstehung gleich. Und entsprechend ist sein Selbstbewußtsein gestiegen. Er sei der Trainer mit den meisten Siegen gegen Bayern, sagte er während der Pressekonferenz. Und vielleicht war das für ihn, den notorischen Provinzkönig, eine Art innere Reinigung. In der großen Stadt hatte man ihn während seines Engagements beim Rekordmeister zurechtgestutzt auf Mindestmaß, und daran waren eben nicht nur die Dumpfblätter mit den dicken Buchstaben beteiligt, sondern auch die Süddeutsche Zeitung. Das hat er offenbar immer noch nicht verkraftet, weil er sich doch dank seiner Freundschaft zum Theatermann Jürgen Flimm den geistvollen Kreisen zugehörig wähnte.

Für die Bayern übrigens war es die erste Heimniederlage seit knapp anderthalb Jahren. Damals unterlagen sie Rostock ebenfalls 0:1, Trainer war Otto Rehhagel und der wurde tags darauf aus dem Amt entfernt. Eine hübsche Ironie. Bayern-Manager Uli Hoeneß mußte darob grinsen, und er sagte, daß Rehhagel für den FC Bayern keinesfalls ein Feindbild sei. „Wenn ich es einem gönne“, sagte Hoeneß, „dann ihm.“ Soso. Ohnehin reagierten sie beim FC Bayern wohltuend unaufgeregt auf diese Niederlage zum Saisonauftakt. Ob es die Selbstgewißheit des glorreichen Ligapokal-Siegers war? Nun, die Bayern hatten gar nicht so schlecht gespielt, wie es das Ergebnis ausweist. Vielleicht ein bißchen behäbig, wie Neuling Torsten Fink sagte, und nicht aggressiv genug, was Präsident Franz Beckenbauer in ungekannter Milde anmahnte: „Jetzt wissen's, wo's stehen.“ Des wissen's wohl erst nach dem Spiel gegen Mönchengladbach am kommenden Mittwoch. Der FC Kaiserslautern war kein ernsthafter Gradmesser für die aktuelle Befindlichkeit und die Niederlage eher der Betriebsunfall einer Belegschaft, die noch nicht von Urlaubsstimmung auf Arbeitsalltag umgeschaltet hat. Inzwischen ist es in München ja so, daß der TSV 1860 das Erfolgsrezept der Bayern erfolgreich adaptiert. Zoff und Zank. Nun stehen die 80er erstmals seit 35 Jahren wieder vor dem Ortsrivalen in der Tabelle. Doch nicht mal das sorgt bei den in seltsamer Harmonie lebenden Bayern für Unruhe. „Solange wir am 34. Spieltag vor denen stehen“, sagte Hoeneß, „ist mir das egal.“ Aber wer weiß wie lange noch?

1. FC Kaiserslautern: Reinke – Kadlec – Koch (31. Hristov), Schjönberg – Ratinho (75. Reich), Sforza, Roos, Schäfer, Wagner – Kuka, Marschall

Zuschauer: 63.000 (ausverkauft)

Tor: 0:1 Schjönberg (80.)

FC Bayern München: Kahn – Matthäus – Babbel,Helmer – Scholl, Fink,(74. Nerlinger), Basler (55. Hamann), Strunz, Lizarazu – Elber, Rizzitelli (55. Jancker)