Weiße Hosen aus Athen
: Wasser auf die Bahn

■ Gebresilasie kann nicht nein sagen – und Dieter Baumann nur gewinnen

Eine Nacht, wie gemacht. Hellenisch. Klassisch. Und so weiter. Ein Hauch von... Spiridon Louis. „Alle Augen verdrückten Tränen“, so beschrieb ein Kollege seinerzeit den Einlauf des ersten und griechischen Marathon-Olympiasiegers. Das war vor etwas mehr als einem Jahrhundert. Diesmal im Panathinaikon-Stadion: bloß der Eröffnungsschmonzes. Ein Hubschrauber schrauberte hoch droben (nein: zwei). Eine Stimme zählte voller Pathos: Malta, Malawi, Montserrat... Pauker paukten, Trommler trommelten... Bangladesh, Barbados, Bahamas. *Da-damm. Eine einsame Bouzuki. Spielt eine altertümliche Weise. Nein: eine eigentümliche. Ro-sa-mun-de. Das war eben erst. U-Bahn-Station Hallesches Tor. Kreuzberg, Berlin. *Kann Dieter Baumann, dieser hagere Bursche von der Alb, etwas verlieren, wenn er sich heute doch in Richtung Athen aufmacht? Nein, sagt Isabelle Baumann, die schon da ist. Der 5.000-m-Olympiasieger laufe nicht mehr um Medaillen, sondern hauptsächlich um die von ihm immer besessener angestrebte Zeit unter 13 Minuten. Nun saß er so lange in Topform und auf Kohlen zu Hause und grübelte, bis ihm einfiel, daß die 100.000-Dollar-Weltrekordprämie den Kenianer Daniel Komen dazu bewegen könnten, in Athen statt drei Tage drauf in Zürich so schnell wie möglich zu laufen. Also: „Dieter kann“, sagt seine Trainerin, „nur gewinnen.“ *Michael Johnson hat Verständnis dafür, daß er, obschon nicht qualifiziert, per Wildcard in Athen starten kann. „Wegen der Fernsehverträge“, sagt der Doppel-Olympiasieger, „und weil die Leute den Titelverteidiger sehen wollen.“ Nach dem gestrigen 400-m-Vorlaufsieg sagte er dreierlei. Er fühle sich nach seiner Verletzung wieder „gut“, sei „sehr zuversichtlich“ und nehme das Ganze wie immer „Runde für Runde“. Seine Zeit betrug 45,66 Sekunden. Heißt nichts für einen Vorlauf. Früher allerdings konnte er, so sehr er sich mühte, nicht über 45 Sekunden laufen. *Haile Gebresilasie ist ein putziger Kerl. Und einer, der schlecht nein sagen kann. Erst redeten ihm seine Äthiopier so lange zu, bis er doch in Athen erschien. Gestern mittag sandte ihn der Weltverband IAAF, den Sponsor der erstmals ausgesetzten Weltrekordprämien zu preisen. 100.000 Dollar setzt die IAAF aus, das Zahlen übernimmt ein japanisches Unternehmen. „Ich hoffe, daß TDK für immer bei uns bleiben wird“, sagte der höfliche 10.000-m-Olympiasieger. Was die harte Bahn betrifft, die er eigentlich seinen Füßen nicht zumuten wollte, so verfolgt er nun den Gedanken, sie durch Wässerung erträglicher zu machen. Aber, Haile, hieß es da, geht denn das so einfach? Gebresilasie überlegte. „Warum nicht“, sagte er dann ernst, „es ist ziemlich einfach, Wasser auf die Bahn zu gießen.“ *Als die Maschine eben dabei war, daunzutatschen – thank you for flyin' Olympic Airlines –, fiel der Blick plötzlich vage auf die Akropolis. Da dachte es einen Moment lang: Tja, Sportjournalist. Du hast es gut. Ein etwas seltsamer Gedanke. Ob er stimmt? Morgen möglicherweise mehr.

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