Verkürzte Kindheit durch Umwelthormone

■ Östrogenähnliche Chemikalien beschleunigen bei jungen Mädchen die Sexualreife

Mädchen, die im Mutterleib hohen Konzentrationen von Schadstoffen mit hormonähnlicher Wirkung ausgesetzt waren, kommen fast ein Jahr früher in die Pubertät als unbelastete Kinder. Dies belegt eine Studie des US-Instituts für Umwelt- und Gesundheitsforschung in North Carolina.

Einflüsse von Umweltchemikalien auf das Hormonsystem sind schon lange bekannt: Ob durch ausgeschiedene Östrogene aus der Antibabypille, Weichmacher in Kunststoffen, Waschmittel oder Pestizide: An wildlebenden Tieren und in Laborexperimenten wurden Effekte wie Verweiblichung der Männchen, verändertes Sexualverhalten und Fortpflanzungsstörungen, aber auch Änderungen der Gehirnstruktur beobachtet.

Auch beim Menschen legen mehrere Studien Gesundheitsschäden durch hormonaktive Chemikalien nahe. Sie werden mit verringerten Spermienzahlen, genitalen Mißbildungen, Hoden- und Brustkrebs in Zusammenhang gebracht. Doch ist der Nachweis im einzelnen schwer zu führen. So wurde bisher nur für wenige hormonähnliche Stoffe die schädliche Wirkung eindeutig belegt. Dazu gehört das bis zu Beginn der siebziger Jahre an Schwangere verabreichte synthetische Östrogen Diethylstilboestrol (DES), das Tumoren an den Geschlechtsorganen und geringere Fruchtbarkeit bei den Nachkommen verursacht. Für die nun veröffentlichte Langzeitstudie registrierte Rogans Arbeitsgruppe zwischen 1978 und 1982 den Gehalt an polychlorierten Biphenylen (PCBs) und des DDT- Abbauprodukts DDE im Blut von Schwangeren und in der Muttermilch. Beide Chemikalien haben östrogenähnliche Eigenschaften. Mittels Fragebogen verfolgten die Wissenschaftler die Entwicklung von 600 Kindern der untersuchten Frauen. Es zeigte sich: Töchter von Müttern mit den höchsten Schadstoffwerten kamen durchschnittlich elf Monate früher in die Pubertät als ihre weniger belasteten Altersgenossinnen. Bei den Jungen wurden keine vergleichbaren Effekte gefunden. Frühreife Mädchen erkranken anderen Studien zufolge später besonders häufig an Brustkrebs. Möglicherweise erhöhen die Gifte auch das Krebsrisiko der betroffenen Mädchen. Auch wenn der Einsatz von DDT seit 1972 nicht mehr zulässig ist, PCBs 1989 verboten wurden: Sie sind weiterhin allgegenwärtig und reichern sich über die Nahrungskette an. Informationen über Forschungsaktivitäten zu hormonell wirkenden Umweltchemikalien gibt es seit neuestem im Internet unter http://www.liwa.de/iis/rneed. Wiebke Rögener