■ Korruption: 16 Minister bieten Arafat ihren Rücktritt an
: Keine Eile bei Kabinettsumbildung

Das palästinensische Parlament hat Mut bewiesen, die palästinensischen Minister dagegen noch nicht. Angesichts der Schwere der gegen sie erhobenen Korruptionsvorwürfe wäre ein umstandsloser Rücktritt angemessen gewesen. Statt dessen haben sie Arafat gebeten, ihnen doch erst einmal den Rücktritt nahezulegen. Dabei tragen die Minister ganz unzweifelhaft persönliche und politische Verantwortung für das, was in ihren Ressorts geschieht. Wer Zweifel an seiner Schuld hat, sollte, wie Planungsminister Nabil Schaath es angekündigt hat, vor Gericht ziehen.

Gewiß, es ist Arafat, der die Minister ernannt hat. Und es ist Arafat, der den Rücktritt eines Ministers bestätigen muß. Die Minister sind damit ohnehin schon abhängig von Arafat. Sie werden es in Zukunft noch mehr sein. Noch etwas anderes kommt hinzu. In der gegenwärtigen Krise in den israelisch-palästinensischen Beziehungen ist das, was Arafat am wenigsten brauchen kann, eine hausgemachte Regierungskrise. Alles spricht im Moment deshalb dafür, daß Arafat die Minister nicht feuern wird. Zwar war eine Kabinettsumbildung schon lange geplant. Doch sie unter „äußerem Druck“ vorzunehmen entspricht zudem ganz und gar nicht Arafats Stil.

Genau in diesem Widerspruch liegt Arafats politisches Dilemma. Wenn er die Rücktrittsgesuche auf die lange Bank schiebt, setzt er sich vor der palästinensischen Gesellschaft dem Verdacht aus, die Korruption zu billigen oder sie zumindest nicht bekämpfen zu wollen. Damit aber macht er sich quasi zum Komplizen der inkriminierten Minister. Das in den letzten Umfragen ohnehin gesunkene Ansehen des palästinensischen Präsidenten dürfte dann einen weiteren dramatischen Abwärtstrend nehmen.

Allerdings hat Arafat schon bei vergangenen Korruptionsvorwürfen innerhalb der PLO die Loyalität ihm gegenüber meist weitaus höher geschätzt als die schnelle Ausmistung eines vermeintlichen Augiasstalles. Hart und konsequent durchgegriffen hat er stets nur gegen politische Gegner in den eigenen Reihen. Solange die aktuelle Krise andauert, hat er ein Argument in der Hand, sich nicht mit den Rücktrittsgesuchen zu befassen. Das kann Wochen dauern. Und danach dürfte dann soviel Gras über die Sache gewachsen sein, daß Arafat es bei „kleineren Korrekturen“ belassen wird. Freilich könnte sich auch zeigen, daß das Parlament nicht nur mutig, sondern zudem noch hartnäckig ist. Georg Baltissen