Der Nazi-Autor Gustav Frenssen
: Noch auf dem Totenbett glaubt er an den Endsieg

■ Einer, der vom Prediger der Nächstenliebe zum Propagandisten der Euthanasie wurde

Er schrieb und fabulierte gern – 1902 wurde der Pastor Gustav Frenssen zum Bestsellerautor: Sein Roman „Jörn Uhl – Vom Aufstieg eines Bauernsohnes“eroberte die Herzen des Lesepublikums, wurde zehntausendfach verkauft und ließ Thomas Manns Buddenbrooks weit hinter sich zurück. Frenssens Rezept fand Anklang: Er präsentierte den Menschen Wunschbilder vom heilen, ursprünglichen Leben auf dem Lande, wo sich der Tüchtige noch durchsetzen konnte. Heimatliteratur boomte um die Jahrhundertwende, und Frenssen konnte den Schritt vom Pastor zum freien Schriftsteller tun.

Ursprünglich war der am 21. Oktober 1863 im Dithmarscher Dorf Barlt geborene Frenssen ein Mann der Kirche, doch er entfernte sich immer weiter von den Lehren des Christentums. Das freie Schreiben lag ihm mehr, und in erdachten Geschichten konnte er auch seinen politisch-gesellschaftlichen Vorstellungen breiteren Raum verschaffen.

Der Erfolg von Frenssens Romanen hielt an: 1905 verkaufte sich der Roman „Hilligenlei“wiederum zehntausendfach, und auch die folgenden Werke waren bei Kritikern und Publikum beliebt. Parallel zum literarischen Werk verfaßte Frenssen auch Texte für Zeitungen und Zeitschriften. Im ersten Weltkrieg rief er die Deutschen mehrfach nachdrücklich zum Durchhalten auf.

Frenssens Weltanschauung offenbarte sich in seinen Artikeln: 1932 nahm er im Neuen Wiener Journal die Euthanasie des Dritten Reiches vorweg, indem er „Geisteskranke, Blödsinnige, Irrsinnige“als „für die Menschheit unnütz oder schädlich“erklärte und deren Auslöschung guthieß.

Nach dem Machtantritt der Nazis erlebte der 70jährige Autor eine späte Blüte: Seine Werke paßten ins braune Literaturkonzept, in vielen „Sachtexten“stützte er die neue Ideologie und machte im Zweiten Weltkrieg erneut Propaganda für den Sieg der Deutschen. Noch in seinem letzten Artikel, im April 1945 auf dem Totenbett geschrieben, vertrat Frenssen den Glauben an den Endsieg. Kay Dohnke

Über Autor und Werk informiert auch: K. Dohnke / D. Stein (Hrg.), Gustav Frenssen in seiner Zeit. Von der Massenliteratur im Kaiserreich zur Massenideologie im NS-Staat. Heide 1997