Borttscheller muß schneller einbürgern

■ Verwaltungsgericht kritisiert Verfahrensdauer bei Einbürgerungen / Prozeßlawine droht / Ausländerbeauftragte spricht von Diskriminierung / Borttscheller verweist auf Haushaltslage

Eintausend Mark bekommt der türkische Einzelhändler Cemal Elmastas von der Senatsinnenbehörde. Der Betreiber eines türkischen Feinkostladens hatte einen Antrag auf Einbürgerung gestellt, da er seit nunmehr 18 Jahren in Deutschland wohnt. Zur Bearbeitung brauchte die Behörde von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) allerdings fast zehn Monate. Zu lang, befand jetzt das Bremer Verwaltungsgericht und verdonnerte die Innenbehörde, die Verfahrenskosten wegen Elmastas' Untätigkeitsklage zu tragen (AZ: 4KK611/97). Jetzt droht Borttscheller eine Prozeßlawine.

Durchschnittlich dauert in der Hansestadt ein Einbürgerungsverfahren zwölf Monate. Im Bremer Umland brauchen die Kommunen gerade mal vier bis acht Wochen. Das fand Cemal Elmastas „unverschämt“und verklagte das Innenressort. Das Verfahren wurde jetzt zwar eingestellt, weil die Einbürgerung vollzogen ist. Dennoch hat das Verwaltungsgericht mit seiner Begründung die Weichen für weitere Klagen gestellt. „Allein eine Überlastung der Behörde infolge einer Gesetzesänderung stellt keinen zureichenden Grund für Verzögerungen in Verwaltungsverfahren dar“, heißt es kurz und trocken. Damit bügelten die Richter die Verteidigung der Borttschellerschen Behörde ab, die Zahl der Anträge seien wegen der Änderung des für „erleichterte Einbürgerungen“anzuwendenden Paragraphen 86 des Ausländergesetzes gestiegen. Waren es 1993 noch 376 Fälle, mußten die BeamtInnen im Jahr 1995 schon 2.600 Anträge bearbeiten.

Senator Borttscheller wird dadurch gezwungen, der Antragsflut Herr zu werden. Sonst kommen vermutlich gewaltige Kosten auf ihn zu. „Ich kann mir durchaus vorstellen, daß jetzt viele Ausländer klagen werden“, sagte gestern Elmastas' Anwältin Ayse von Freyhold. Und in die nächste Instanz kann Borttscheller auch nicht gehen, da die Entscheidung „unanfechtbar ist“, so von Freyhold.

Cemal Elmastas freute sich gestern sehr über den Ausgang des Verfahrens. Er habe ein „Zeichen auch für andere Ausländer setzen“wollen, die nun hoffentlich den gleichen Weg wie er beschreiten würden. Auch der Vorsitzende des Türkischen Zentralverbandes im Lande Bremen, Aydin Findikci, begrüßte die Entscheidung der Verwaltungsrichter. „Es kann nicht angehen, daß im früher ausländerfreundlichen Bremen solche Verfahren länger dauern, als in Bayern. Außerdem wird die Innenbehörde jetzt gezwungen, sich von der ständigen Praxis zu verabschieden, alles auf die schlechte Finanz- oder Personallage zu schieben.“

Das tut der Senator gegenüber der taz: „Wir sind tatsächlich in einer Zwickmühle, da wir jetzt schon an sämtliche finanzielle und personelle Grenzen stoßen.“Zumal seit 1992 bereits zwei Beamte, ein Sachbearbeiter und zwei Hilfskräfte zusätzlich an die Anträge gesetzt wurden. Borttscheller will sich deshalb nun mit seinen SenatskollegInnen beraten, wie das Dilemma gelöst werden kann. Er will darüber hinaus prüfen, ob die Zustimmungsbehörde Aufgaben an andere Institutionen abgeben kann, um so die Verfahren zu verkürzen.

Genau das schlägt auch die Ausländerbeauftragte Dagmar Lill vor. „In Berlin kümmern sich zum Beispiel die Standesämter um diese Probleme. Genauso könnten in Bremen die Ortsämter Vorarbeiten leisten.“Eine Bearbeitungszeit von bis zu drei Jahren grenze an „institutionierte Diskriminierung“. Die Innenbehörde verschleppe bewußt Einbürgerungen. Jens Tittmann