■ Scheibengericht
: Arto Lindsay, (Mundo Civilizado (Rykodisc)., Ryuichi Sakamoto (Smoochy (Milan), David Byrne (Feelings (WEA)

Weck den Brasilianer in dir. Byrne, Lindsay, Sakamoto – die Bemühungen der drei New Yorker, ihre kühl verkopften Kompositionen per südamerikanische Melodie-Infusion zum Swingen zu bringen, waren bisher von sehr unterschiedlichem Erfolg gekrönt. Vollzog sich David Byrnes Metamorphose vom Talking Head zum Mambo King in der Vergangenheit nicht ohne Peinlichkeiten, so legte Arto Lindsay, natural born brasilian, mit seinem semiakustischen Coming- out „O Corpo Subtil“ die Meßlatte für alle anderen ziemlich hoch. Der No-Wave-Gitarrenquäler mit dem Woody-Allen-Look zählt derzeit zu den profiliertesten Produzenten brasilianischer Klänge (Caetano Veloso, Marisa Monte).

Sein Nachschlag „Mundo Civilizado“ birgt wieder seltsame Exotik mit Ecken und Kanten, den Stromschalter diesmal ein klein wenig höher gedreht. Dezent werden Drum'n'Bass-Partikel eingestreut, DJ Spooky werkelt ein wenig im Hintergrund, aber die Atmosphäre bleibt insgesamt bedrohlich entspannt. Da entrollt sich ein unwirklich fluoreszierendes Copacabana-Szenario von seltsamer Schönheit, in das sich auch verfremdete Versionen von Al Greens „Simply Beautiful“ und der Prince-Klassiker „Erotic City“ bruchlos einfügen. „In all this innocence my samba may be hiding some malice within“, singt Lindsay in „Pleasure“. Das trifft's wohl.

Hintergründig geht es auch bei Ryuichi Sakamoto zu, der schon immer gerne mit südamerikanischer Melancholie liebäugelte. Auf „Smoochy“ (ein Kunstwort, das Geräusch beim Küssen beschreibend) verwebt er Tango- und Bossa-Einflüsse zu einem wohlklingenden, manchmal aber etwas zu harmlos dahinfließenden High- Tech-Impressionismus. Klingt stellenweise wie der Soundtrack für einen noch ungedrehten Film, Bertolucci am Rio de la Plata, bleibt allerdings nach mehrmaligem Hören wirklich hängen.

Und David Byrne? Der crossovert inzwischen wild in alle möglichen Richtungen. Mit den britischen TripHoppern von Morcheeba und den Robotersound- Oldtimern Devo beschreitet er zwar Neuland. Doch mit deren Patchwork-Prinzip, der Kombination von Samples mit Live-Einspielungen, orientiert sich Byrne, wie er zugibt, an Vorbildern wie Cibo Matto und Chico Science, Portishead und Beck. Was nichts anderes heißt, als daß der einstige Avantgarde-Kopf den Trends hinterherzulaufen versucht, ohne dabei immer eine allzu glückliche Figur zu machen. Rückfälle in bemühte Samba-Albernheiten (“Miss America“) halten sich die Waage mit nervösem Wave-Funk Marke Talking Heads (“Dance on Vaseline“), als Zugabe gibt's Country-Jungle und Psycho-Folk. Byrnes „Feelings“ gleichen einem unaufgeräumten Kinderzimmer, am überzeugendsten dort, wo er auf allen produktionstechnischen Firlefanz verzichtet und Ruhe im betont schlichten Songwriting sucht. Move your brain, the rest will follow – das Prinzip funktioniert nicht immer.