Nigerias Militärregime geht der Treibstoff aus

■ Die Raffinerien des Ölexportlandes produzieren immer weniger Benzin

Berlin (taz) – Der Ölexporteur Nigeria erlebt in diesem Sommer eine Benzinknappheit, die mehr noch als die alltägliche Repression dem Militärregime von General Sani Abacha den Garaus machen könnte. Taxis, Busse und Privatfahrzeuge verbringen Tage wartend vor den Tankstellen. Auf dem Schwarzmarkt wird der Treibstoff mittlerweile bis zum Zwölffachen des Normalpreises verkauft – umgerechnet 80 Dollar für den 50-Liter-Kanister statt die normalen 6,50 Dollar. Das Öl, das Nigeria eigentlich zu Reichtum bringen sollte, ist nun ein Indikator des Kollapses der nigerianischen Wirtschaft unter der Militärdiktatur.

Der Grund für die Benzinknappheit ist einfach: Die staatliche Ölgesellschaft NNPC (Nigerian National Petroleum Corporation), die in Joint-ventures mit ausländischen Ölmultis die nigerianische Ölförderung von 1,8 Millionen Faß am Tag leistet, hat zu Jahresanfang 1997 eine zugesagte staatliche Finanzspritze von 843 Millionen Dollar zur Modernisierung der vier nigerianischen Raffinerien nicht erhalten. So kam es immer häufiger zu Pannen in den Anlagen, die normalerweise die für Nigerias Eigenbedarf nötigen 300.000 Faß Rohöl pro Tag zu Brennstoff umwandeln. Von den 18 Millionen Liter Benzin, die Nigeria jeden Tag verbraucht, werden nur noch 12 Millionen tatsächlich produziert. Dazu hat die Regierung den für den Inlandsverbrauch bestimmten Anteil der Ölförderung gekürzt, um mehr exportieren zu können.

In einem typisch nigerianischen Paradox hat sich die Lage erst richtig verschärft, seitdem die Militärregierung am 23. Juni auf die Idee kam, die Benzinknappheit durch Importe zu beheben. Denn seitdem lebt Nigeria im Rhythmus der Öltanker, die alle paar Tage neues Importbenzin bringen. Die Nigerianer müssen sich darauf einstellen, Tag und Nacht vor den Tankstellen zu warten, um den Moment abzupassen, wenn endlich mal ein Tankwagen auftaucht. „Man steht zwei Tage lang Schlange, und wenn dann das Benzin kommt, reicht es für 40 der 300 Autos“, erzählt ein frustrierter Oppositioneller. „Dann kannst du nach Hause laufen und am nächsten Morgen zurückkommen, um dein Auto aufgebrochen zu finden.“

Der Benzinimport lindert die Knappheit nicht, sondern macht daraus erst recht ein lukratives Geschäft. Offiziell ist der Import für die Regierung ein Verlustgeschäft: Der für 18 Naira eingekaufte Liter wird für 11 Naira an die Verbraucher abgegeben. Nur ist Benzin zu 11 Naira fast unauffindbar. Der Großteil der teuren Importware landet auf dem Schwarzmarkt.

Die Hauptstadt Abuja, die als Regierungssitz bevorzugt versorgt wird, bekam vom 26. bis 30. Juli 330.000 Liter Benzin geliefert, was nach amtlichen Angaben für 6.600 Autos reicht – mehr, als es in Abuja gibt. Es gebe somit „überhaupt keinen Grund“ für die Benzinknappheit“, tönte am Mittwoch Nigerias Ölminister Dan Etete bei einem Besuch in einem Benzindepot. Da die Schlangen vor Abujas Tankstellen wie in ganz Nigeria aber mehrere Kilometer lang sind, so schloß Etete messerscharf, „kommt das Benzin nicht in die Tankstellen“, wofür „skrupellose Nigerianer“ verantwortlich seien, die die Anstrengungen der Regierung zur Linderung der Verbrauchernöte sabotierten.

Was Etete nicht sagte: Oft sind diese „skrupellosen Nigerianer“ in Regierungsnähe zu finden. Die Regierung hat in jeder Provinz sogenannte „Benzin-Task-Forces“ gebildet, die die Verteilung des Treibstoffes überwachen sollen – und selber kräftig mitkassieren. In der nordnigerianischen Millionenstadt Kaduna etwa müssen Autofahrer Benzinbezugsscheine kaufen, mit denen sie zweimal die Woche tanken dürfen. Ausgenommen sind die Mitglieder der Task Force, die mit Sondererlaubnis extra Benzin erhalten und an Autofahrer verhökern. Eigentlich hat Kaduna eine eigene Ölraffinerie – aber die wartet seit drei Jahren auf die Reparatur.

„Für jedes Schiff mit 300.000 Tonnen Importbenzin nach Nigeria verliert das Land 150.000 Dollar, die in die Taschen der Importeure wandern“, erklärte kürzlich kein Geringerer als Sam Aluko, Leiter der nationalen Wirtschaftskommission. Hartnäckigen Gerüchten zufolge geht ein Großteil des Benzins auch an die nigerianischen Eingreiftruppen in Liberia und Sierra Leone. „Die Regierung schafft das Problem, und dann profitiert sie davon“, faßt ein Oppositionsaktivist die Meinung der Öffentlichkeit zusammen.

Fraglich ist, wie lange die Leute das aushalten. Der öffentliche Nahverkehr ist um mindestens das Drei- bis Vierfache teurer geworden. Lebensmittelpreise und Mieten steigen entsprechend. Dominic Johnson