Mit dröhnendem Unkraut auf zur Mannwerdung

■ Vom amerikanischen Kino sozialisiert zieht Fatih Akin aus zum großen Publikum: „Getürkt“

Es gibt viele Aspekte, die an Fatih Akins Arbeiten interessant oder faszinierend sind. Einer ist auf jeden Fall die schon fast erschreckende Perfektion, mit der Akin seine Film-Ideen und Drehbücher in die Tat, d.h. in Film umsetzt. Wie und was er von seinen Zielen und Idealen erzählt, findet sich auf beeindruckende Weise in seinen Filmen wieder.

Nicht nur deswegen gehört der 24jährige Hamburger Filmemacher hierzulande zu den interessantesten und vielversprechendsten jungen Talenten. Als Türke in Deutschland, sozialisiert vom amerikanischen Kino der Siebziger und Achtziger, von Coppola und Scorsese fasziniert, verwirklichte Akin mit großen Schritten seinen Traum: Filme machen und darin selbst die Hauptrolle spielen. Er will an das große Publikum. Ideale des New American Cinema im Kopf, tausend Filme gesehen. Sich mit ihm darüber zu unterhalten, ist wie durch eine gutsortierte Videothek (Schwerpunkt USA) zu schlendern oder alte Steadycam-Ausgaben durchzublättern.

Nachdem Sensin - Du bist es, sein erster Kurzspielfilm, allenthalben begeistert aufgenommen wurde, entstand nun mit Getürkt der zweite Kurzfilm mit der „Wüste“-Filmproduktion. Anschließend wird sich Akin mit der „Wüste“seinem ersten abendfüllenden Spielfilm zuwenden. Getürkt jedoch ist weit mehr als seine abschließende Fingerübung. Es ist die folgerichtige Weiterentwicklung dessen, was er mit Sensin begonnen hatte: in gewisser Weise kommt Fatih Akin hier auf sich selbst zurück.

Wenn Sensin flott und selbstironisch vom Bild der Idealfrau eines jungen deutsch-Türken erzählte und von den Problemen, den passenden Menschen dazu zu finden, geht es in Getürkt um die ebenso temporeiche Umkehrung dieser Verhältnisse. „Image“, der ursprüngliche Titel des Films, hatte genau das auf den Punkt gebracht, war Name und Programm zugleich gewesen.

Musa (Fatih Akin), ein Türke aus Deutschland, verbringt seinen Urlaub in dem türkischen Dorf Sile, d.h. er muß für seine Mutter Unkraut jäten. Die örtliche Disco läßt ihn nur in weiblicher Begleitung ein: „Drei Dinge“, wird Musa über die lokalen Initiationsriten aufgeklärt, „braucht der Mann in Sile: eine scharfe Sonnenbrille, eine Pussy mit dicken Titten und einen kräftigen Joint!“Wenig später wird sich Musa als Dope-Besitzer ausgeben und diese Lüge bald bitter bereuen. Denn der örtliche Dealer ist nicht mehr. Dope darum gefragter als je zuvor und mit Musas gierigen Begleitern ist nicht zu spaßen.

Wie sich Musa aus der Klemme befreit ist zwar der finale Gag des Ganzen - viel aufsehenerregender ist aber die erstaunliche Präzision im Umgang mit Kamera, Akteuren und Schnitt. In fast allen Belangen wird Getürkt zu einem souverän auf 11 Minuten komprimierten, ironischen Gangster-Buddy-Film, der seine Vorbilder von Coppola bis Tarrantino sehr deutlich ausstellt, ohne sich an sie zu verlieren. Akin als den deutschen Spike Lee anzukündigen, schadet vielleicht mehr, als es stimmt; sein Gefühl für Timing und Rhythmus und sein produktives Selbstbewußtsein jedenfalls lassen noch einiges erwarten. Jan Distelmeyer

Premiere: 7. August, 19.30 Uhr, Zeise