Ein Beipackzettel für Genießer

■ Günter Amendt, Autor von „Ecstasy & Co.“über Drogen ohne Sex, Rock 'n' Roll und Che Guevara

Günter Amendt ist ein Autor, der provoziert. In seiner langjährigen publizistischen und praktischen Arbeit in der Drogen- und Sexual-aufklärung hat der Sproß der 68er-Generation oft die Meinungen gespalten. Schon seine erste Veröffentlichung Sexfront (1970), eine Bettlektüre für pubertierende Jugendliche, verstörte mit seinem lockeren Gestus scheinheilige Moralisten. Die antiautoritäre Haltung hat der heute 58jährige in das Drogenhandbuch Ecstasy & Co., das er zusammen mit dem Techno-Experten Patrick Walder geschrieben hat, hinübergerettet. Als eine Art „Beipackzettel zu Partydrogen“konzipiert, setzt das Buch anstatt auf bloße Abschreckung oder Glorifizierung auf sachliche Aufklärung. Es informiert in einer verständlichen Sprache über Geschichte, Wirkung und Gefahren von Ecstasy und anderen Stimmungsmachern. Amendt wehrt sich strikt dagegen, moralische Instanz zu spielen und DrogenkonsumentInnen für dumm zu verkaufen. Er überläßt jedem einzelnen selbst die Entscheidung, die Risiken des Konsums einzugehen.

taz: Was hat Sie dazu veranlaßt, dieses Buch zu schreiben?

Günter Amendt: Ich habe zusammen mit Patrick Walder, der sich sehr gut in der Techno-Szene auskennt, die Idee entwickelt, ein Buch über Partydrogen zu schreiben, das sich direkt an die KonsumentInnen richtet. Zuvor gab es lediglich allgemeine wissenschaftliche Werke über das Thema wie Ecstasy von Nicholas Saunders.

Wie kommt es, daß sie gänzlich auf moralische Empfehlungen verzichten?

Wir gehen davon aus, daß es heute keine Autorität mehr gibt, die Jugendlichen irgendetwas erlauben oder verbieten kann. Deshalb wollten wir uns auch nicht zu Gurus machen, weder indem wir Drogen verteufeln noch indem wir sie verherrlichen. Ich denke, daß die Angehörigen meiner Generation gar kein Recht haben, denen der heutigen Vorschriften zu machen. Sie machen es ihnen doch vor, z.B. durch den Medikamentenmißbrauch. Kinder wachsen schließlich mit Pillen auf.

Gibt es dramatische Entwicklungen in der Techno-Szene, auf die Sie mit dem Buch reagieren?

Da wäre sicherlich der zunehmende Mischkonsum zu nennen. Der liegt daran, daß heute längst nicht mehr nur der harte Underground-Kern zu Raves geht, sondern Leute aus allen möglichen Bereichen. Die bringen natürlich ein anderes Konsumverhalten mit. Im Moment erleben wir, daß Alkohol eine enorme Rolle in der Szene spielt. Andererseits hat Ecstasy seinen ursprünglichen Bezugsrahmen verlassen und wird in anderen Kreisen auch geschluckt. Der so entstehende Mischkonsum ist allerdings besonders gefährlich, weil Wirkungen im Körper entstehen, die kontraindiziert sind. Wenn wir hiervor warnen, dann jedoch wiederum nicht aus moralischen Überlegungen, sondern aus der Sache heraus. Wenn Sie die Lebenseinstellung und das Konsumverhalten der heutigen Generation mit der der 68er-Generation vergleichen, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede stellen Sie fest?

Grundsätzlich sehe ich da sehr viele Gemeinsamkeiten. Besonders in der hedonistischen Haltung, ein lustvolles Leben zu führen, sowohl im Sexuellen als auch im Umgang mit Drogen, ähneln sich beide stark. Andererseits war meine Generation meist mit einem „Rock around the clock“zufrieden, die Kids von heute brauchen da immer gleich ein ganzes Wochenende Fun.

Den größten Unterschied sehe ich allerdings darin, daß dieser Generation völlig die politische Perspektive abgeht. Wir konnten damals aber auch noch eine echte Hoffnung auf ein gerechteres, glücklicheres Leben haben. Da wurde der Joint vor der Schule auch mal auf später verschoben, weil wir die Möglichkeit auf ein geiles Studium vor Augen hatten. Jugendliche von heute sehen dagegen einer ziemlich perspektivlosen Zukunft entgegen, in der es äußerst ungewiß ist, ob man den gewünschten Studienplatz bekommt oder beruflich Karriere machen kann. Da kann ich es sehr gut verstehen, wenn die sagen: Feiern wir, solange es noch geht. Alles andere ist egal. Im Grunde haben wir es unausgesprochen mit einer anderen Form einer No-Future-Gesellschaft zu tun.

Welche Funktion haben dann Drogen in dieser Gesellschaft?

Letztlich helfen sie einem, eine Zeitlang die Zukunfts- und Versagensängste zu verdrängen. Wenn diese Ängste aber unter dem Drogeneinfluß hochkommen, wird es ein Horror-Trip.

Fragen: Sven Wegner

Günter Amendt: Ecstasy & Co., Rowohlt, 157 Seiten, 12,90 Mark.