Ökologisches Schmuckstück Bremer Becken wird aufpoliert

■ Störche und Uferschnepfen brüten wieder in Brockhuchting: Jetzt wollen Verbände dort ein Naturschutzgebiet und Wanderwege

Wie ein grüner Schal schmiegt sich das Bremer Becken im Süden um die Stadt. Das war nicht immer so. Zuerst trockneten Eindeichungen für eine intensive Landwirtschaft die Wesermarsch aus. Dann zerstörten der Bau des Güterverkehrszentrums und die Erweiterung des Flughafens vor gut 13 Jahren die letzten Feuchtwiesen und intakten Grünlandflächen in der Brokhuchtinger und Niedervieländer Marsch.

Als Ausgleich für die Naturzerstörung mußte die Stadt Bremen mit hohem finanziellen Aufwand ökologisch wertvolle, zusammenhängende Gebiete anlegen. Diese Ausgleichsmaßnahmen werden in diesem Jahr abgeschlossen. Ein Projekt aus verschiedenen Umweltverbänden möchte jetzt die gesamte Region im Bremer Umland für die Öffentlichkeit erschließen und sie dauerhaft schützen.

Ein wichtiger Meilenstein in Brokhuchting war die Neuverlegung der bis dahin kanalisierten Ochtum. „Wir haben schon vor Jahren mit den Fischern überlegt, wie man die marode Ochtum wiederbeleben kann“, erklärt Joachim Seitz, Geschäftsführer des BUND. Der Umweltverband berät die Umweltbehörde bei den ökologischen Baumaßnahmen. Nach der Neuverlegung schlängelt sich die Ochtum heute wieder durch Feuchtwiesen. An ihren Ufern sind Sträucher angesiedelt, langsam beginnt sich eine neue Auenlandschaft mit Weiden zu entwickeln. Ein ideales Jagdgebiet für den Weißstorch, der vor Jahren aus dem südlichen Bremer Umland geflüchtet war, jetzt aber wieder in Brokhuchting brütet. BesucherInnen können die Störche von einem Aussichtsberg aus beobachten.

Jetzt kann die Ochtum wieder über die Ufer treten. Nach der Absenkung der Grabendeiche im Niedervieland fließt manchmal Weserwasser auf die Wisesen. Zweimal im Jahr wird das Zentrum des Bremer Beckens durch Flutung der Grabensysteme und einem Durchstoß des Weserdeiches an der Ochtummündung großflächig unter Wasser gesetzt. Im Frühjahr und Spätherbst heißt es hier „Land unter“. Um die Bauern in diesem Gebiet nicht zu vergrätzen, mußte ihnen die Stadt das Land abkaufen. Anschließend konnten die Landwirte die Weiden zurückpachten, mußten aber bei der Bewirtschaftung Auflagen erfüllen. Sie dürfen nur zu bestimmten Jahreszeiten mähen und Gülle nicht mehr beliebig ausbringen. Damit Wiesenvögel ungestört brüten können, muß auf das Walzen der Weiden verzichtet werden.

Zusätzliche Sumpfbiotope lockten zum Beispiel den seltenen Kampfläufer nach Bremen. Neben den Störchen haben sich insgesamt 68 Brutvogelarten im Brokhuchtinger Raum niedergelassen. Als Rastvögel besuchen jedes Jahr über 4.000 Pfeifenten die Ochtumniederung. Bläßgänse und Bekassinen tippeln über die Wiesen. Zwerg- und Singschwäne fliegen aus Sibirien ein. Dieses Naturschauspiel möchte ein Projekt jetzt für die Öffentlichkeit erschließen. Federführend in Bremen ist der Förderverein Vogelschutz e.V. Er wird unterstützt von Euronatur Stiftung Europäisches Naturerbe und beraten vom BUND und der Landesökologischen Forschungsanstalt. Euronatur koordiniert neben diesem Projekt im Auftrag der Daimler Benz AG noch vier andere europäische Naturschutzprojekte, die der Autokonzern mitfinanziert.

Arno Schoppenhorst, Projektleiter des Förderverein Vogelschutz, sucht zur Zeit GeldgeberInnen für ein „sanftes“Wander- und Radfahrnetz durch das Bremer Becken. „Natürlich wollen wir die BesucherInnen nicht an die sensiblen Brutstellen heranführen“, meint Schoppenhorst, „aber es soll genügend Möglichkeiten geben, Tiere zu beobachten.“Dazu gehören Beobachtungstürme und Aussichtsplattformen, die in Uferregionen hineingebaut werden.

Außerdem sollen 300 km Gräben im Niedervieland in Zukunft besonders gefördert werden. Nachdem die Gräben vorsichtig ausgeschöpft wurden, hat sich in einigen Abschnitten schon die Krebsschere angesiedelt. Diese sehr seltene Wasserpflanze breitet sich teppichartig im Grabenlauf aus. Sie bietet wiederum farbenprächtigen Libellen Unterschlupf, die nur auf der Krebsschere ihre Larven ablegen. „Man sollte diese unspektakulären Pflanzen und Tiere nicht unterschätzen. Sie sind Leitarten. An ihnen kann man den Zustand des gesamten Umfeldes abschätzen“, erklärt Arno Schoppenhorst.

„Die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft ist wichtiger Baustein unseres Konzeptes“, erklärt Projektleiter Schoppenhorst weiter. Durch weniger Dünger und Gülle hat sich die Wasserqualität in der Region schon verbessert. Noch für dieses Jahr sind weitere Überflutungen geplant, meint Schoppenhorst. Im Delmenhorster Bereich der Ochtumniederung stehen die Verhandlungen mit den Landwirten erst am Anfang. Hier hat die intensive Landwirtschaft zahlreiche Vogelarten vertrieben. Ein eigenes Gütesiegel für landwirtschaftliche Produkte aus den neuen Naturschutzgebieten soll erarbeitet werden.

„Wenn wir Natur überhaupt noch erlebbar machen wollen, müssen wir jetzt in Bremen ein Zeichen setzen“, sagt Martin Rhode vom BUND. „Die Stadt Bremen verschluckt ihr Umland, in jedem Jahr sind das 140 ha. Wenn Bremen sich weiter mit dieser Geschwindigkeit ausbreitet, dann wird es im Jahr 2100 keinen grünen Fleck mehr im Stadtgebiet geben“, erklärt der Naturschützer.

Nach Ablauf der Ausgleichsmaßnahmen in der Ochtumniederung und im Brokhuchtinger Raum muß der weitere Unterhalt der Gebiete finanziell abgesichert werden. „Wir müssen jetzt den Status der Gebiete klären, welche Bereiche nun juristisch zu Naturschutzgebieten erklärt werden und wer für sie zu bezahlen hat“, sagt Fritz Logemann, Staatsrat im Umweltressort. „Wir wollen hier aber keinen politischen Schaukampf und rollen das Verfahren zur Ausweisung des zentralen Niedervielands als Naturschutzgebiet in aller Ruhe ab“, sagt Logemann.

In Brokhuchting ist angrenzend an das betroffene Gebiet zur Zeit noch Bauland ausgewiesen. Sämtliche an dem Naturschutzprojekt beteiligten Umweltverbände haben gegen eine Bebauung protestiert. Thomas Schumacher