American Pie
: Mord am Hydranten

■ Die vielfältigen Beschäftigungen der NBA-Cracks während des Sommers

With a pink carnation and a pick-up truck

Die neue NBA-Saison beginnt erst im November, was aber keineswegs heißt, daß es nichts zu berichten gibt. Jagd auf die free agents, millionenschwere Trainerverträge, die mühselige Verpflichtung der besten Draft Picks und diverse Kollisionen der Basketballstars mit der amerikanischen Vorstellung von Recht und Ordnung. Eine kleine Auswahl der letzten Woche: Da bezichtigt ein früherer Manager sich selbst, den Spielern Marcus Camby (Toronto Raptors) und Ray Allen (Milwaukee Bucks) während deren Collegezeit 40.000 Dollar beschafft zu haben, was streng verboten ist. Cliff Robinson (Portland Trail Blazers) wurde mit einer winzigen Menge Marihuana in seinem Auto ertappt, Allen Iverson (Philadelphia 76ers) mit einer größeren Portion und einer Schußwaffe. Einige NBA- Schiedsrichter wurden der Steuerhinterziehung überführt – sie schummelten mit ihren Flugtickets –, Jayson Williams hingegen geriet mit seinem Klub, den New Jersey Nets, aneinander. 8.000 Dollar Strafe bekam er, weil er in einer Zeitschrift despektierliche Bemerkungen über Coach Joe Calipari von sich gab, der aber gar nicht beleidigt war. Die Spielergwerkschaft wird gegen die kleinkarierte Maßregelung vorgehen.

Das größte Aufsehen erregten die Superstars Charles Barkley und Shawn Kemp. Letzterer weniger dadurch, daß er nachts um zwei mit seinem Jaguar in Beverly Hills einen Hydranten rammte. Er sei nicht „unter Einfluß“ gewesen, bewertete die Polizei den Alkohol- und sonstigen Pegel des Spielers, und man würde ihn nicht „wegen Mordes an einem Hydranten“ verhaften.

Für mehr Furore sorgte Kemps Übersiedlung nach Indiana. Der kräftige Forward zieht zu seiner Mutter nach Elkwood, wo er aufwuchs, was insofern erstaunlich ist, als er noch einen Vertrag bis 2003 bei den Seattle SuperSonics hat. Mit denen liegt er jedoch im Zwist, da es ihm bei den Sonics nicht mehr gefällt, diese aber einen Transfer zu einem anderen Klub ablehnen. Kemp hat sich immer noch nicht damit abgefunden, daß Seattle vor Jahresfrist den Center Jim McIlvaine verpflichtete und diesem doppelt soviel Gehalt zahlt wie ihm – 7 Millionen Dollar pro Jahr. McIlvaine wurde, da er kaum spielt, inzwischen zum Inbegriff des Abzockers in der NBA. „Sie wußten, was sie mir antaten, als sie Jim und ein paar anderen Typen diese Verträge gaben“, sagt Kemp, der sich vor allem über mangelnden Respekt beklagt.

Inzwischen weigert er sich, überhaupt noch mit Sonics-Besitzer Barry Ackerley zu reden. „Mit diesen Leuten werde ich nicht mehr verhandeln. Ich will kein Geld von ihnen. Ich will weg.“ Sein Haus in Seattle hat Kemp bereits zum Verkauf angeboten. „Ich drohe niemandem. Das einzige, was ich sage, ist: ,Laßt Oktober kommen, November, Dezember, Januar, Februar, März, April, Mai, Juni, und laßt sie sehen, wo Shawn Kemp ist.‘“

Wo Charles Barkley die betreffenden Monate verbringt, steht weitgehend fest. Bei den Houston Rockets, wo er zum x-tenmal versuchen wird, endlich NBA-Champion zu werden. Auch Barkley war letzte Woche schwer im Gespräch, diesmal nicht nur wegen seines Mundwerks, sondern auch wegen seiner Fäuste. Auf dem Spielfeld tituliert der 34jährige aufmüpfige Referees gern als „Arschloch“, aber manche NBA-Schiedsrichter haben ein dickes Fell und lassen ihn unter Umständen sogar ohne technisches Foul davonkommen. In einem Nachtklub in Cleveland wird eine solche Ausdrucksweise nicht ähnlich gelassen hingenommen. „Haben Sie ihn einen besoffenen Redneck genannt?“ wollte der Richter in Cleveland wissen. „Heute würde ich es wahrscheinlich tun“, erwiderte Barkley ungerührt. Der „Redneck“ ist Jeb Tyler, ein 24jähriger Geschäftsmann, der 550.000 Dollar forderte, weil ihn der Basketballstar geschlagen haben soll.

Die Sache passierte am 7. Juli letzten Jahres, als das olympische Dream Team in Cleveland gastierte und Barkley zusammen mit seinem Kollegen Reggie Miller die Bar „The Basement“ besuchte. Der Streit begann, als ein Freund von Tyler eine – weiße – Frau, die in Begleitung der Spieler war, fragte, ob sie mit Miller schlafe. „Manchmal gibt es rassistische Obertöne, wenn erfolgreiche Schwarze mit einer weißen Frau reden“, konstatiert Barkley, der so erbost war, daß er den Neugierigen in unhöflicher Form ersuchte, das Etablissement zu verlassen. Tyler mischte sich ein – um zu schlichten, wie er sagt –, dann habe ihn Barkley ins Gesicht geschlagen. Ein Rausschmeißer der Bar, der sofort dazwischenging, sagte jedoch aus, daß Barkley gar nicht zum Zuschlagen gekommen sei, weil er ihn festhielt. Das deckt sich mit der Aussage des Basketballers: „Ich wollte auf ihn los. Wenn ich es geschafft hätte, hätte er mehr Beulen gehabt als diese paar Kratzer.“

„Der typische Fall“, sagte Barkleys Manager, „der Bursche will Geld.“ Barkley selbst, zum drittenmal wegen einer Kneipenschlägerei vor Gericht, meinte: „Wenn man berühmt ist, passieren diese Dinge dauernd.“ Wie in den beiden vorherigen Fällen entschied die Jury auch diesmal, daß Barkley nicht der Verursacher der Rangelei gewesen sei und keinen Cent zahlen müsse. Ein Angebot des Tyler-Anwalts, die Klage gegen 12.000 Dollar zurückzuziehen, hatte er schon vorher zurückgewiesen: „Warum sollte ich ihm 12.000 Dollar zahlen? Der kriegt doch keinen einzigen Rebound.“ Matti Lieske