■ Karlsruhe: Grundsatzurteil zur Immunität von Diplomaten
: Der Botschafter und sein Sprengstoff

Die Förderung eines Bombenanschlags gehöre nicht zu den dienstlichen Aufgaben eines Botschafters, entschied im April 1994 das Berliner Kammergericht. Das klingt einleuchtend. Konkret ging es um die Beteiligung des syrischen Botschafters Feisal Sammak an dem Anschlag der Gruppe Carlos auf das Berliner Kulturzentrum Maison de France im Jahr 1983. Laut Kammergericht konnte sich Sammak dabei nicht auf seine Immunität berufen, da diese nur für „dienstliche Tätigkeiten“ auch nach dem Verlassen der DDR weitergelte.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage aufgegriffen und kommt zu dem überraschenden Ergebnis, der Sprengstoffanschlag sei eine dienstliche Tätigkeit im Sinne des Völkerrechts gewesen. Begründung: Sammak wurde von seinem Außenministerium angewiesen, der Gruppe Carlos „jegliche mögliche Hilfe“ zu leisten. Auch habe der Diplomat keinen persönlichen Vorteil aus dem Bombenanschlag gezogen. Daß das Verhalten illegal gewesen sei, spielte für das Verfassungsgericht keine Rolle. Denn, so die Logik, wäre eine Straftat niemals als dienstlich anzusehen, bliebe die fortwirkende Immunität „inhaltsleer“. Mit seiner Verfassungsbeschwerde hatte Sammak dennoch keinen Erfolg, weil Karlsruhe davon ausging, daß die DDR-Immunität des Diplomaten für die BRD keine Bedeutung habe.

Dennoch lohnt es, über diese eigenartige Logik des Völkerrechts nachzudenken. Natürlich ist der Hinweis richtig, daß die Immunität der Diplomaten einen friedlichen, also diplomatischen Verkehr der Staaten untereinander erleichtert. Andernfalls könnte jede tatsächliche oder vermeintliche Straftat der Gesandten zu unübersehbaren Folgen führen – insbesondere dann, wenn das Verhältnis der beteiligten Staaten ohnehin gespannt ist. Deshalb kann in solchen Fällen der vermeintliche Straftäter nur als Persona non grata des Landes verwiesen werden.

Nicht zwingend ist jedoch, daß diese Immunität nach Ausreise des Diplomaten weitergelten soll. Das Völkerrecht differenziert hier zwischen dienstlichen und sonstigen Tätigkeiten. Es wäre wirklich naheliegend, schwere Straftaten aus dem Bereich der dienstlichen Tätigkeit auszunehmen. Immerhin wird im Rahmen der Ad-hoc-Gerichtshöfe für Ex-Jugoslawien und Ruanda auch schon schwer an der andersgearteten Immunität von Staatsoberhäuptern gekratzt. Christian Rath