: Blaues Wunder erleben
■ Der Rechtsruck der neuen Statt Partei und das Chaos um die Gewerbesteuer
„Ab jetzt sind wir die Blauen“, polterte der vor wenigen Monaten zur Statt Partei gestoßene und zum Spitzenkandidaten gekürte Jürgen Hunke gestern los. „Wer uns jetzt immer noch die Grauen nennt, meint es nicht gut mit uns.“Nicht gut meinen es die Neublauen offenbar aber auch mit sich selbst. Der von Statt in den Senat entsandte Wirtschaftsenator Erhard Rittershaus – parteilos, aber für die Ex-Grauen wahlkämpfend – sprach sich für eine Senkung der Gewerbesteuer aus. Hunke wetterte nur wenige Augenblicke später dagegen: „Jeder, der für sich wirtschaftliche Kompetenz fordert, kann sowas nicht sagen.“
Die Finanzlage der Stadt sei zu klamm. Und im übrigen habe er „kein Verständnis für die Streitereien innerhalb der Parteien“. Subventionen müßten massiv abgebaut werden. Wozu, fragte er sich, müßten die besseren Plätze der Oper bezuschußt werden? Weitere Spar-Beispiele zu nennen, weigerte sich der Chef der Kammerspiele und ehemalige HSV-Präsident. Er wolle schließlich gewählt werden und „deshalb jetzt nicht alle verärgern“.
Doch nicht nur mit dem einstigen Statt-Credo Transparenz und Offenheit ist es inzwischen vorbei. Mit Hunke geht auch ein Rechtsruck durch die bürgerliche Protestpartei. „Der Hauptbahnhof wird innerhalb von drei Monaten wieder eine saubere Visitenkarte der Stadt“, steht auf dem 100-Tage-Programm ganz oben. Junge Straftäter über 18 Jahre sollen nach dem Erwachsenenstrafrecht abgeurteilt werden. Andernfalls ist „bei Reifedefiziten“der Verlust „der Rechte eines Volljährigen festzustellen“. Ziel sei zudem die Herabsetztung der Strafmündigkeit. Und: „Die sofortige Abschiebung von ausländischen Kriminellen.“
Das Fischen am rechten Rand, die Motivierung von Nichtwählern und Unzufriedenen soll der Statt Partei sieben Prozent, den Wiedereinzug in die Bürgerschaft und die Fortsetzung des rot-grauen – pardon: rot-blauen – Regierungsbündnisses bescheren. Bei drei Prozent liegt Statt derzeit. Erfüllen sich die kühnen Träume, zieht Hunke in eine Bürgerschaft, von der er nichts hält. Die jetzigen Abgeordneten wollten nur „ihr Gehalt verdoppeln“, redeten viel und bewegten nichts. Silke Mertins
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