Von Angst und Hasen

■ Spekulationen zu Werders 1:1 gegen Hansa Rostock und den gezähltenTagen von Werder-Trainer Dörner von taz-Gastautor und Hansawellen-Moderator Stefan Pulß

Am Dienstag war das vorletzte Spiel des SV Werder unter Dixie Dörner. Das ist, zugegeben, eine riskante Behauptung, und wenn es nicht stimmt, werden mich alle auslachen, und es wird mir sehr peinlich sein. Aber es stimmt.

Werder hat in der derzeitigen Verfassung kaum eine Chance, am Sonnabend gegen 1860 München zu gewinnen, und dann wird die Ausbeute aus den ersten drei Spielen nicht sieben Punkte sein, wie avisiert, sondern einer oder zwei. Und selbst wenn die Vereinsführung es eigentlich nicht möchte, wird sie dann handeln müssen. Wegen o.tel.o. Denn welcher Sponsor hat ein Interesse daran, die eigene Markteinführung mit dem Image des Verlierers, der grauen Maus, der Lachnummer zu begleiten?

Außerdem: Nichts ist besser geworden seit der letzten Saison. Und es konnte auch nichts besser werden. Sicher sind Benken und vor allem Trares eine Verstärkung. Aber schon in wenigen Wochen werden auch sie von der allgemeinen Antriebsarmut erfaßt und ins Mittelmaß eingereiht sein. Dieser Sog scheint bei Werder inzwischen unwiderstehlich; selbst Herzog und Eilts spielen dauerhaft unter ihren Möglichkeiten. Marco Bode ist die einzige Ausnahme, aber vor dem Hintergrund des allgemeinen Niedergangs drängt sich da sofort der Gedanke auf, daß er weg will und sich für seinen Marktwert engagiert.

Und an all dem ist der Trainer schuld? Nein, nicht alleine. Da ist ein Publikum, von dem auch in einer brauchbaren ersten Halbzeit weniger zu hören war als von den mitgereisten Rostockern. Ein Publikum, aus dem heraus nach dem Ausgleich bei Fehlpässen der eigenen Mannschaft zynisch applaudiert wurde. Und da ist ein Präsidium, das so ist, wie es ist. Aber all das erklärt nicht, warum am Dienstag nach der Halbzeitpause urplötzlich eine miserable Werder-Mannschaft auf dem Platz war. Sie spielten, als wäre unmittelbar vor dem Pausenpfiff der Ausgleich gefallen. Das taten sie so lange, bis er wirklich fiel, und danach wurde es noch schlechter. Was hat da in der Kabine stattgefunden? Ein Schnellkurs in „negative thinking“? Wahrscheinlich hat Dixie Dörner nur versucht, seine Mannschaft zu motivieren. Und dabei mit den Spielern so geredet, wie er eben redet; ängstlich darauf bedacht, nichts falsch zu machen. Nur – das motiviert eben nicht. Das färbt ab. Und das Ergebnis ist der Angsthasenfußball, den der Trainer dann selbst bemängelt hat. Aber aus dem Teufelskreis von Verunsicherung, schlechtem Spiel und weiterer Verunsicherung gibt es eben nur einen praktikablen Ausweg. Mannschaft und Publikum sind nicht austauschbar. Der Trainer ist es. Präsidium und Management wären es natürlich auch, aber das ist eine andere Geschichte.

Also wird am Sonnabend der neue Sponsor o.tel.o seinen Einstand geben, und dann geht es an den Trainerwechsel. Allerdings sollte sich niemand großen Illusionen hingeben: Ex-Werder Spieler und Ex-HSV-Trainer Möhlmann (möglicher Dörner-Nachfolger?) war am Dienstag auch im Weserstadion ... Stefan Pulß