Sozialarbeiter sahen Krawalle voraus

■ Jugendgruppen in Kattenturm hatten sich gegen die Polizei zu Cliquen zusammengeschlossen / Spannungen trotz Sozialarbeit

Für Wolfgang Welp kamen die Krawalle im Bremer Stadtteil Kattenturm nicht überraschend. Der Sozialarbeiter betreut seit 1991 rechte, gewaltbereite Jugendcliquen. Welp und seine Kollegen hatten seit einiger Zeit beobachtet, daß sich rivalisiernde Jugendgruppen zu Cliquen zusammengeschlossen haben. Ein Gegner schweißt sie zusammen: die Polizei.

„Ich habe meine Jugendlichen vorsorglich für das vergangene Wochenende aus Kattenturm abgezogen“, freut sich Welp. Mit einem Ausflug habe er wenigstens diesmal seine Jugendlichen aus der Randale rausgehalten. Welp ist überzeugt, daß die massiven Einsätze der Polizei seit dem Frühjahr die Jugendlichen aufgeputscht haben.

„Wir kommen an Grenzen der Sozialarbeit, denn wir können nur in Einzelfällen eine berufliche Perspektive vermitteln“, sagt Welp. Er unterscheidet Straftaten von Jugendlichen nach der Motivation, die dahinter stehe: Da gebe es echte kriminelle Autoknacker, Dummheiten oder Einbrüche aus jugendlichem Übermut, Prügeleien zwischen ethnischen Gruppen oder Diebstähle aus Armut.

Sein Fazit: „Kinder und Jugendliche brauchen Räume, in denen sie sich ausprobieren können. Die fehlen in Kattenturm. Nicht jeder Jugendliche, der Mist baut, ist ein Krimineller.“

„Auch wir Sozialarbeiter müssen begreifen, daß es Jugendliche gibt, die aus Spaß ihren Gegnern eins über die Rübe ziehen“, sagt Rolf Günther vom Drogenreferat des Schulpsychologischen Dienstes im Schulzentrum Obervieland. Seit zehn Jahren arbeitet er in der Suchtprävention. Der dortige Runde Tisch versuche auch bei allgemeinen sozialen Problemen zu helfen. So sei unter anderem eine Cafeteria in der Schule eingerichtet worden, Jugendliche würden in kostenlose Tenniskurse vermittelt oder unternähmen gemeinsame Urlaubsreisen. Günther wirft Eltern und Behörden vor, trotz aller Sozialarbeit Kinder und Jugendliche im Stich zu lassen. „Bei Konflikten greift man dann zu rechtspopulistischen, repressiven Forderungen. Das löst die Probleme nicht“. Gerade im Umgang mit jugendlichen Straftätern müsse der erzieherische Aspekt im Vordergrund stehen. „Wenn zwischen einer Straftat und dem Urteil ein Jahr liegt, verliert das Urteil für den Jugendlichen als Strafe und als pädagogische Maßnahme ihren Sinn“.

Für Michael Schwarz, Leiter der Bremer Jugendhilfe kann Sozialarbeit allein die Konflikte mit Jugendlichen in Bremen nicht lösen. „Wer glaubt, mit mehr Sozialarbeit gäbe es keine Jugendgewalt mehr, irrt.“

Martin Thomas, innenpolitischer Sprecher der Grünen, fordert pädagogisch ausgebildete Polizeibeamte, die nicht nur repressiv auf Jugendliche eingehen. „Ausländische Staatenlose müssen arbeiten dürfen. Kurdische arbeitslose Väter verlieren ihre Autorität vor ihren Kindern.“

Einen anderen Weg als die Sozialarbeiter bevorzugt Sven Wojzischke, Ortsamtsleiter in Obervieland, und setzte auch ein poltisches Zeichen. Im Gegensatz zu anderen Stadtteilen Bremens richtete er keinen Präventionsrat ein, der Konflikte mit Jugendlichen entschärfen soll, bevor es knalllt. In Obervieland gibt es dagegen einen nicht öffentlich tagenden Rat für öffentliche Sicherheit und Kriminalprävention. „Wir wollen den Bereich ,Inneres' zur Geltung bringen und auch über Repression reden“, so Wojzischke. schuh