: Bienenstiche Von Karl Wegmann
Bienen sind nicht witzig. Im Gegenteil, Bienen sind eine ernste Angelegenheit. Wespen sind natürlich noch viel ernster, aber Bienen sind auch nicht schlecht. Wußten Sie, daß jeder zweite Deutsche eine Biene nicht von einer Wespe unterscheiden kann? Tausende Bienen werden in diesen Tagen auf Balkonen, Terrassen und in Gärten erschlagen, vergast, zerquetscht – aus Unwissenheit. Dabei ist es ganz einfach: Das Hinterteil der Wespe ist gelbschwarz gestreift, das der Biene beigebraun; die Biene trägt um den Hals einen goldschimmernden Pelz, die Wespe fliegt ohne; Bienen haben braune Beine, Wespen gelbe.
Willy weiß das alles selbstverständlich. An diesem Tag hat er Geburtstag. Wir haben gerade im Garten die Zapfanlage und die Theke aufgestellt und das erste Faß Veltins angestochen, da taucht Hermann auf. Er trägt zu schwarzen Jeans ein schwarzes T-Shirt. Vorne ist es mit „Dopes To Infinity“ bedruckt, hinten mit „Monster Magnet“. Mein Kommentar beschränkt sich auf „Mann, wer hört denn heute noch Monster Magnet“, aber Willy fragt seltsamerweise: „Hast du auch Rasierwasser benutzt?“ Hermann ist etwas perplex, anwortet aber: „Ja, hab' ich, nennt sich ,Exciting Amber‘ von Gammon, war 'n Sonderangebot, dazu gab's noch...“ „Du bist ein Opfer“, unterbricht ihn Willy eiskalt lächelnd. Hermann und ich verstehen nur Bahnhof. „Bienen“, sagt Willy, „die Bienen werden dich drankriegen.“ „Aber was hab' ich denn getan“, jammert Hermann, der eine panische Angst vor Insektenstichen hat, gleich los. „Dunkle Kleidung und der Geruch von Parfum, parfümierten Cremes oder Rasierwasser ziehen Bienen an“, erklärt Willy, „sie werden auf dich fliegen, Mann.“ „Oh mein Gott“, entfährt es Hermann, und ich schaue kurz an mir runter: ausgewaschene Bluejeans, weißes Hemd und seit vier Tagen nicht rasiert – ich bin aus dem Schneider.
Willy beruhigt Hermann: „Hör zu, ich leg' dir eine Zwiebel hin, wenn es dich erwischt hat, schneidest du sie durch und reibst damit die Einstichstelle ein. Zwiebelsaft wirkt entzündungshemmend und lindert den Juckreiz. Den Stachel schnellstens entfernen. Das Gift fließt sonst noch zwei bis drei Minuten weiter. Ich lege dir dafür eine Nagelfeile hin, damit kannst du den Stachel aus der Haut kratzen. Auf keinen Fall den Stachel herausdrücken, dabei wird noch mehr Gift freigesetzt.“
Allmählich trudeln die Gäste ein, aber für Hermann ist die Fete längst gelaufen. Er hockt direkt neben dem Tresen auf einer Bank und beobachtet den Luftraum. Neben ihm liegen Zwiebel und Nagelfeile, er ist hypernervös und trinkt mehr als ihm guttut. Als das erste Faß Geschichte ist und Hermann längst unter der Bank schläft, doziert Willy immer noch. „Wußtet ihr“, erzählt er, „daß allein in Norddeutschland der Bestand an Honigbienenvölkern in den letzten 30 Jahren um mehr als 50 Prozent gesunken ist? Oh ja, schuld hat die Varroa-Milbe aus Asien, die Anfang der 80er Jahre hier eingeschleppt wurde. Sie ernährt sich vom Blut der Biene und legt ihre Eier in die Brut der Bienen.“ Die Partygäste langweilen sich prächtig, das zweite Faß geht die Kehlen runter. Und ich denke: „Varroa- Milben, das isses. Ich besorg' mir ein paar Dutzend von den Dingern. Ein prima Geschenk für Hermanns Geburtstag.“
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