Muslime sind auf kroatischem Gebiet unerwünscht

■ Statt Frieden herrscht in der bosnisch-kroatischen Föderation Apartheid

Wien (taz) – Vor allem drei Gründe waren für die Architekten des Dayton-Abkommens ausschlaggebend, als sie Bosnien im Dezember 1995 als eine „zweigeteilte Föderation“, aus der Republika Srpska und der bosnisch-kroatischen Föderation, konzipierten. Zum einen galt es, einen rein muslimischen Staat auf europäischem Boden zu verhindern. Zum anderen hoffte man, die territoriale Abgrenzung zwischen Kroaten und Muslimen zu überwinden. Dabei wurde die Frage, wie sich Sarajevo wirtschaftlich entwickeln würde, ausgeklammert.

Nach amerikanischer Vorstellung traten Muslime und Kroaten als souveräne Völker der bosnisch- kroatischen Föderation bei und regelten fortan paritätisch Fragen der Menschenrechte, des Gesundheits- und Verkehrswesens, des Staatsangehörigkeitsrechts und des Tourismus. Durch eine Zoll- und Währungsunion mit Kroatien sollte der wirtschaftliche Wiederaufbau gesichert werden – mit Hilfe aus dem Westen.

Das Kalkül westlicher Balkanvermittler war so einfach wie problematisch: In dem Moment, in dem Kroaten und Muslime eine neue Wirtschaftsmacht bildeten, bliebe der Republika Srpska nichts anderes übrig, als sich der bosnisch-kroatischen Föderation anzuschließen. Bosnien wäre als Einheitsstaat gerettet.

Doch Kroatiens Präsident Franjo Tudjman und dessen Statthalter in Mostar, Travnik und Jajce durchkreuzten diese Pläne. Obwohl das kroatische Kriegsgebilde in Bosnien, Herceg-Bosna, nach amerikanischer Intervention am 31. August 1996 angeblich aufhörte zu existieren, erweist sich das Gebilde als sehr zählebig, vor allem, weil es wirtschaftlich und politisch von Zagreb unterstützt wird.

Die ehemalige Region Herceg- Bosna besitzt heute fast alle Attribute eines Staates: Ministerien, Polizei, Armee, staatliche Medien sowie eine Staatsflagge. Dieses Gebilde kapselt sich vom muslimischen Teil ab. Wer von muslimischer Seite in den kroatischen Bereich eindringen wollte, wurde vertrieben oder mit Mord bedroht, wie in Jajce, wo Hunderte Muslime am letzten Wochenende „die Frechheit besaßen, ohne Erlaubnis auf kroatisches Territorium vorzustoßen, um islamische Siedlungen zu errichten“ (TV Zagreb).

Vor Kriegsausbruch bestand die heutige bosnisch-kroatische Föderation aus 32 Landkreisen, in denen Muslime und Kroaten relativ friedlich miteinander lebten. Nun geben in 20 Landkreisen die Kroaten den Ton an und dulden keine Muslime neben sich, in zehn weiteren wollen die Muslime unter sich bleiben, und nur in zwei gibt es eine gewisse Befriedung. Sonst herrscht, zwei Jahre nach Dayton, noch immer Apartheid innerhalb der Föderation. Karl Gersuny