Geheime Liebesbriefe in Sicherheit

Hamburg unterirdisch, taz-Serie, Teil 5: Keiner weiß, was drin ist, im Tresorraum der Deutschen Bank. Ein Refugium für die Schätze von Rentnern und Reichen in blau-curry-gelb  ■ Von Achim Fischer

200 Meter vom Rathausplatz entfernt herrscht Ruhe. Fenster gibt es keine in dem großen Raum, ein dicker, blauer Teppich dämpft jeden Schritt. Nur ein leises Brummen ist zu hören, vielleicht von den lamellen-gedämmten Neonröhren, vielleicht von einer Klimaanlage. Eigentlich ein idealer Ort für ein wohlverdientes Mittagsschläfchen – zwischen Schließfächern, Schließfächern und noch mehr Schließfächern. Der dämmerige Raum in blau nebst curry-gelb gilt als einer der sichersten Orte in ganz Hamburg. Es ist der unterirdische Tresorraum der Deutschen Bank am Adolphsplatz.

Ein langer Flur, sicher zwanzig Meter lang, durchzieht den Raum. An seiner rechten Seite hunderte von Schließfächern. Links gehen kurze Seitengänge ab, ebenfalls mit Boxen. Insgesamt 2.500 Schließfächer gibt es hier. Die meisten sind sehr flach, keine fünf Zentimeter hoch, und etwas breiter als ein DIN A 4-Papier. Daneben gibt es fünf andere Größen – bis hin zum Umfang eines großen Schließfaches in Bahnhöfen. Was darin schlummert? Geld, Juwelen, Aktienpakete?

„Wir wissen nicht, was in den Schließfächern ist“, erklärt Alexandra Oehmichen, die Pressesprecherin des Hauses. „Die Bank nimmt von dem Schrankfachinhalt keine Kenntnis“, heißt es in den „Bedingungen für die Vermietung von Schrankfächern“der Deutschen Bank.

Die Schließfächer der Seitengänge reichen nicht ganz bis an die Wand. Zwischen Mauer und curry-gelber Schließfachanlage ist noch Platz für ein kleines, verborgenes Tischchen. Über jedem Tisch in jeder Reihe eine verchromte Wandlampe, vor jedem Tisch ein Hocker, blau gepolstert, das Fußgestell verchromt.

Chrom, blau, currygelb – der Raum wurde 1975 eingerichtet. Ob seitdem schon einmal eingebrochen wurde? Ob es versucht wurde? Vorstellbar ist es kaum. Eine 5,8 Tonnen schwere Tresortür versperrt außerhalb der Schalterstunden den Weg. Ob sich ein Kunde schon einmal an dem Fach eines anderen zu schaffen machte? Immerhin dürfen alle Schließfachmieter den Keller alleine betreten – ohne Begleitung durch Bankangestellte. Darauf keine Antwort, aus Sicherheitsgründen.

In einer Ecke der Schalterhalle führt eine schmale Treppe nach unten, ausgelegt mit – richtig – dickem, blauem Teppich. Mitarbeiter können die Stufen im Blick behalten. Kunden brauchen ihren Gang in den Untergrund nicht anzumelden.

Unten herrscht gepflegte Wartezimmer-Atmosphäre: Drei Ledersessel an der Wand, ein paar Türen, ein Kleiderständer, alles modern-hell-freundlich. Unüblich nur die Glaswand, die sich schräg durch den Raum zieht. Und die gläserne Schleuse, eine Kammer in der Mitte der Trennwand. Daneben hängt ein Lesegerät für Magnetkarten, wie an einem EC-Automaten. Karte einschieben, Geheimzahl eintippen: die erste Glastür der Schleuse springt auf – einmal nähertreten bitte – und schließt sich wieder hinter dem Rücken des Besuchers.

Nun bitte auf die markierte Fläche stellen, kurz vor der zweiten Tür. Und nach vorne schauen. Mit dem Stativ des Fotografen könnte es Schwierigkeiten geben, „wegen der Lichtschranke“. Welche Lichtschranke? Ein, zwei Sekunden warten. Piep, piep. Doch keine Probleme. Die zweite Tür öffnet sich zum Vorraum des Tresors.

Dort sind fünf kleine Kammern abgetrennt, eine die Kopie der anderen: ein Schreibtisch, ein Stuhl, ein Papierkorb, ein Plastik-Aschenbecher in quietsch-orange. Nur der Miró-Druck über jedem Schreibtisch ist ein anderer. Die Plätze sind vor neugierigen Blicken geschützt, aber nicht abgeschirmt. Türen gibt es nicht. Die Trennwände zum Vorraum sind aus Glas. Wem auch das noch zu heikel ist, der kann sich in der Schalterhalle einen Schlüssel holen – für eine absolut blickdichte Kammer. Ohne Glas, dafür mit Tür.

Wer geht hier ein und aus? Nadelgestreifte Herren mit Aktenkoffer? Zahnarzt-Gattinen im Kostüm mit Kroko-Tasche? Und wozu die ganzen Tische? Zum Millionen zählen? Klunkern bewundern? Geheime Pläne schmieden?

„Die Leute sind so unterschiedlich wie oben in der Schalterhalle“, beschreibt Alexandra Oehmichen die nüchterne Realität. „Ganz junge“seien „eher selten“, aber ansonsten sind von braven Angestellten über Geschäftsleute bis hin zu Rentnern alle dabei. Neunzig Mark kostet ein kleines Schließfach pro Jahr. Das ist vielen die Sicherheit wert, längst nicht nur für Geld und Juwelen. Die Fächer haben nicht umsonst etwas mehr als DIN A 4-Format.

„In den meisten Fächern sind vermutlich Papiere“, erklärt die Pressesprecherin. Wichtige Dokumente: Verträge, Testamente, Sparbücher. Dafür also die ganzen Tische. Manchmal liegen in den Boxen auch einfach private Dinge: Lieb gewordene Erinnerungsstücke, vielleicht auch Briefe, die die EhepartnerIn nicht sehen soll.

Und Dinge, die die Polizei nicht sehen soll? Blüten? Waffen? Drogen? „Für den Inhalt der Fächer ist der jeweilige Mieter verantwortlich“, erklärt Frau Oehmichen. „Das ist so wie bei einer Wohnung. Da kann der Vermieter auch nicht nachprüfen, was der Mieter in der Wohnung lagert.“Nur zwei Dinge behält sich die Bank vor: „Der Mieter darf das Schrankfach nicht zur Aufbewahrung von gefährlichen – insbesondere feuergefährlichen – Sachen benutzen.“Und: Der Fachinhalt darf nicht „durch in den eingebrachten Gegenständen selbst begründeten Schadensursachen – wie z.B. durch Feuchtigkeit, Rost oder Motten – leiden“.

Andere Fragen lassen sich nicht klären, aus Sicherheitsgründen. Wie wird der Raum überwacht? Wie geht die Tresortür auf und zu? Mit Muskelkraft oder auf Knopfdruck? Wer macht die Tür auf und zu? Und wenn die Tür mal klemmt? „Die Tür“, muß Alexandra Oehmichen lachen, „hat noch nie geklemmt“.

Hamburg unterirdisch, Teil 6: Wo die Hansestadt gern ihren Elbschlick versenken würde – das Salzbergwerk von Dow Chemical in Stade, Freitag, 15.8.