Hirsch gegen Kopfschmerz

■ Der Chef der Bremer „Bild“-Redaktion, Gerhard Buzzi, hat ein Buch geschrieben über jahrtausendealte Heil-Riten der indianischen Medizinmänner aus South-Dakota

„Die Welt auf die Kolumbus stieß“, steht auf der Amerika-Karte an der Wand. „Bild gratuliert dem Sieger der Tour-de-France Jan Ullrich“, prangt daneben der Glückwunsch des Boulevardblattes für den Radler. An Wänden des Bremer Büro der Bild-Zeitung hängen Drucke des Malers und Ethnographen George Catlin (1796 - 1872), der mit seinen Bildern von nordamerikanischen Indianerstämmen weltberühmt wurde. Ein federndes, schwer zu definierendes Werkzeug baumelt an einem Bilderrahmen. „Touri-Mist“, sagt Gerhard Buzzi (43) verächtlich. Der Chef der Bremer Bild-Redaktion muß es wissen. Seit zehn Jahren beschäftigt er sich mit Indianern.

Er sammelt Spenden für ein Therapiezentrum für alkoholkranke Indianer in Pine Ridge, einem Reservat des Stammes der Oglala Lakota in South Dakota, das so groß ist wie das Saarland. Dort hat er vor zehn Jahren einen Medizinmann der Oglala-Lakota getroffen, der ihn in die Geheimnisse des „Wakan Tanka“eingeweiht hat. Wakan Tanka ist bei Lakota-Indianern die höchste Energie. Sie soll Kranke heilen können. Über seine Erlebnisse mit dem Medizinmann und dessen indianischen Heilgeheimnisse hat Buzzi jetzt ein Buch geschrieben.

Vor zehn Jahren fuhr er zufällig (Großvater, der heilige Mann, glaubt nicht an Zufälle) durch ein Reservat in Kanada. „Die Indianer lebten in heruntergekommenen Hütten, torkelten betrunken durch die Gegend. Überall standen Autowracks herum. Alles war dreckig. Bis dahin hatte ich nur Winnetou im Kopf. Ich dachte immer, Indianer sind edle Wilde. Aber was ich da gesehen habe, hat mich so erschüttert, daß ich anfing mich für Indianer zu interessieren.“

Buzzi las alles über Indianer, über ihre Lebensgewohnheiten, über ihre Schlachten, über die Massaker, über die einzelnen Stämme. Doch das reichte dem Journalisten nicht. Er reiste nach Süd-Dakota. Im Gefängnis von Sioux Falls arbeitete er einen Tag lang in der Gefängnisküche, um für das große „Pow Wow“, einem Tanzfest, zu dem sich indianische Tänzer aus allen Teilen Amerikas treffen, Fry Bread zu backen. George Blue Bird, ein indianischer Insasse, drückte ihm einen Zettel in die Hand. „Tunkashila“(Großvater) stand darauf und die Beschreibung des Weges. Seitdem hat Buzzi Großvater unzählige Male besucht. Er ist mit ihm auf eine schamanische Reise gegangen, hat Geister beschworen, die Bison-Übung gemacht und alles über die Kraft des Peyote gelernt. Bei der Bison-Übung bittet man um die Kraft des Büffels. Man kreuzt die Beine zum Schneidersitz, stellt sich eine Prärie vor und spannt verschiedene Muskeln an. Die Hirsch-Übung soll Kopfschmerzen vertreiben und Sehschwächen lindern. Peyote ist das heilige Sakrament der Native American Church (Amerikanische Kirche der Ureinwohner). Im Anhang des Buches finden sich eine Reihe von gebräuchlichen indianischen Vokabeln.

Wie denn das zusammenpasse, bei der Bild zu arbeiten und solche Bücher zu schreiben, wird Buzzi nach Lesungen oft gefragt. Ein Bild-Mann, der ein Herz für Indianer hat und Spenden für eine Klinik für alkohlkranke Indianer sammelt, verwirrt das politisch korrekte Weltbild einiger Leser offenbar. Jan Ullrich fährt schließlich auch kein Auto. In solchen Momenten zuckt Gerhard Buzzi mit den Schultern und entwaffnet seine Kritiker mit einem indianischen Sprichwort: „Du sollst nicht über einen Menschen urteilen, bevor du nicht eine Meile in seinen Mokkassins gegangen bist.“ kes kes

Gerhard Buzzi: „Indianische Heilgeheimnisse, die Lehren von Großvater, dem heiligen Mann“, erschienen bei Bastei-Lübbe