■ Höge, Teil 3
: Buten und Binnen, Wagen und Winnen

Von Ostfriesland aus nach Westen zu wird es häßlicher, ungefügter. Vorläufiger Höhepunkt: Nordenham an der Wesermündung – wegen des AKW Esenshamm wurde dort eine Bleihütte errichtet und das Farbsubstanzen-Werk der Dünnsäureverklapper Chronos Titan, dazu ein Dasa-Werk. Von hier geht eine Autofähre nach Bremerhaven. Zur Mannschaft gehört eine kanadische Gans, die vorne am Bug steht und leise schnattert. Über Bremerhaven, nach Wilhelmshaven die westdeutsche Stadt mit der höchsten Arbeitslosigkeit, lachen die Möwen.

Bis 1983, als Island, Norwegen und Dänemark ihre Hoheitsgewässer auf 200 Meilen ausweiteten, war hier „die größte Fischereiflotte“ stationiert – von Nordstern (Frosta), Dr.Oetker und Nordsee (früher Unilever, jetzt im Besitz der US-Verschlanker Apax Partners München). Nordsee legte allein 70 Schiffe still, entließ 5.000 Mann. Die Reste, acht Schiffe, von den drei Firmen zusammengelegt, kauften zuletzt – wegen der Fangquoten – die Isländer, sie erwarben später auch noch das, was nach einem Roland-Berger-Versenkungsgutachten aus München von der DDR-Fangflotte übrigblieb.

In Bremerhaven hingen an der Hochseefischerei außerdem zwei Werften sowie etliche Schiffsausrüster und Netzmachereien, die ebenfalls pleite gingen. Auf den restlichen Werften wurden zumeist Containerschiffe gebaut, sogenannte Zahnarzt-Pötte, die zum Beispiel die Münchner Conti-Reederei Dr. Wagner als Abschreibungsobjekte auflegt. Nach der Vulkan-Pleite wurde die Belegschaft von einer Beschäftigungsgesellschaft namens MyPegasus übernommen, die dem schwäbischen IG-Metall-Juristen Jörg Stein gehört, der sich zuvor schon auf die nämliche Weise zum „größten Arbeitgeber Sachsens“ aufgeschwungen hatte. Auch die Bremerhavener Vulkanarbeiter sind ab September „unflexibel“: Sie haben fast alle eigene Boote und arbeiten nicht selten in Vereinen, in denen man alte Schiffe restauriert.

In Bremerhaven gibt es inzwischen mehr solch stiller Museumsschiffe als bemannte. Dennoch boomt das Hafengeschäft – mit Containern und Autoverladung. Gerade wurde der Strom- Kai verlängert, sein weiterer Ausbau ist bereits in Planung. Aber Arbeitsplätze schafft das wenig: Die sogenannte Loco-Quote wird im Hafen immer niedriger. Zudem gehört der ganze Betrieb mit 700 Beschäftigten der Bremer Lagerhaus-Gesellschaft, Prototyp eines sozialdemokratischen Versorgungsmonopols – immer in den roten Zahlen.

Bremen und Bremerhaven sind jedoch, obwohl 60 Kilometer auseinanderliegend, ein Stadtstaat. 1825 erwarb Bremens Bürgermeister Smidt das Land an der Wesermündung vom damaligen englisch-hannoverschen Königshaus. Das Geld stammte zumeist von süddeutschen Auswanderern, die manchmal monatelang auf ein Schiff nach Amerika warten mußten und in dieser Zeit in Bremen erbarmungslos ausgenommen wurden. Jetzt haben die „Süddeutschen“ den Spieß jedoch umgedreht. Vorläufiger Höhepunkt ist der Masterplan eines „Ocean Park“ in Bremerhaven – für zwei Milliarden Mark –, mit dem ein Wiesbadener die Stadt aus der Scheiße zu reiten verspricht. Echte Haie sollen die Besucher umschwimmen, die in Glasgängen durch Riesenaquarien wandeln. Bremen möchte sich gleichzeitig – wegen der Zukunft und aus Verbundenheit mit dem Dasa-Konzern – mit einem auch nicht billigen „Space-Park“ zieren.

Ach, diese Doppelstadt an der Weser is a pain in the ass: Ohne die Kollektivität von Neulandgewinnern, aber voller sozialdemokratischer Sesselfurzer, die großbetriebsfixiert das ewige Vorbild Hamburg kopieren, wo man seinerseits ständig nach London schielt.