Große Koalition gegen kleine Kriminalität

■ In der Verbrechensbekämpfung will die SPD das Heft in der Hand behalten

Berlin (taz) – Von Streit, Boykott, Blockade ist die Rede, wenn derzeit in Bonn das Verhältnis der SPD zur Regierungskoalition thematisiert wird. Da fällt es ins Auge, wenn CDU-Vorschläge von der SPD „begrüßt“ werden, vor allem, wenn sie auf das konfliktträchtige Feld der Innen- und Rechtspolitik zielen. Die stellvertretenden SPD- Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin veranlaßt ein CDU- Grundsatzpapier über „effektive Wege der Kriminalitätsbekämpfung“ gar zu der Aufforderung: „Gemeinsam gegen Kriminalität und deren Ursachen vorgehen.“ Die Rechtsexpertin ist voll des Lobes über die „neuen konstruktiven Ansätze und die Bereitschaft der Union, auf Vorschläge einzugehen, die die Sozialdemokraten im Bundestag seit Jahren vortragen“.

Nun wird allerdings nicht alles, was der CDU-Rechtspolitiker Rupert Scholz am Mittwoch präsentiert hat, seit Jahren von der SPD vorgetragen. Daß zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität die europäische Polizeibehörde Europol „originäre Rechte zur Ermittlung und Verfolgung von Straftaten“ erhalten soll, war von den Sozialdemokraten bislang nicht zu hören. Daß zum gleichen Zwecke es verdeckten Ermittlern ermöglicht werden soll, „milieubedingte Straftaten zu begehen“, traf eher auf sozialdemokratischen Widerspruch.

Um trotzdem Gemeinsamkeit mit der CDU betonen zu können, kapriziert sich Däubler-Gmelin auf den Bereich der Jugend- und der Kleinkriminalität: Schadensausgleich gegenüber den Opfern – etwa Sühne eines Ladendiebstahls durch Erstattung des doppelten Ladenpreises –, das steht für sie im Einklang mit der eigenen Programmatik. Besonders freut sie sich, daß Scholz der CSU-Forderung, das Strafmündigkeitsalter auf 12 zu senken, eine Absage erteilt. Nicht ganz so eindeutig fällt die SPD-Zustimmung im Bereich Ausländerkriminalität aus. Zwar gibt es auch hier lobende Worte dafür, daß Scholz die „vielen ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien, die in Deutschland leben“, von dieser diskriminierenden Zuschreibung ausnimmt. Daß diese gleichwohl betroffen sind von der von Scholz vorgeschlagenen „zwingenden Ausweisung und Abschiebung bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bereits ab einem Jahr“, ignoriert sie geflissentlich. Auch zu der „konsequenten Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern“ verliert sie kein Wort. Dabei hatte der CDU-Mann in seiner Begründung sogar Anleihen bei einem prominenten Sozialdemokraten genommen. „Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht zur Durchführung gewalttätiger Aktionen mißbrauchen, haben ihr Gastrecht verwirkt.“ So hatte vor zwei Wochen bereits Gerhard Schröder formuliert und damit gleichermaßen Genossen gegen sich auf- wie die CDU in Nöte gebracht. Die sah sich eines ihrer bevorzugten Wahlkampfthemen beraubt. Das Scholz-Papier ist der Versuch, verlorenes Terrain wiederzugewinnen. Den hat Däubler- Gmelin ausgebremst. Daß die eher linke Rechtspolitikerin Schröder zur Seite steht, deutet darauf hin, daß die SPD das ordnungspolitische Heft nicht mehr aus der Hand geben will. Dieter Rulff

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