Ein solches Angebot konnte Bill Gates nicht ablehnen: Die kränkelnde Computerfirma Apple bietet dem Software-Giganten Microsoft den Einstieg an. Statt auf einen aussichtslosen Wettkampf setzen beide jetzt auf eine pragmatische Zusammenarbei

Ein solches Angebot konnte Bill Gates nicht ablehnen: Die kränkelnde Computerfirma Apple bietet dem Software-Giganten Microsoft den Einstieg an. Statt auf einen aussichtslosen Wettkampf setzen beide jetzt auf eine pragmatische Zusammenarbeit.

Der Apfel fällt nicht weit vom Bill

Vielleicht sind damit die Gebete erhört worden, zu denen die Zeitschrift Wired im Juni aufgefordert hatte. Auf der Titelseite der Computerzeitschrift prangte ein dornenkranzumwundener, regenbogengestreifter und blutender Apfel. Darunter stand ein einziges Wort: Beten. Im Blatt selbst waren 101 Vorschläge versammelt, wie der Computerkonzern Apple zu retten sei.

Das Bündnis mit dem Erzfeind und Herrn über das Reich des Bösen war nicht dabei. Jetzt aber scheint aus dem Erzfeind Bill Gates von Microsoft der Retter von Apple zu werden. Bei der Eröffnung der Apple-Fachmesse am Mittwoch in Boston verkündete einer der beiden legendären Begründer von Apple, Steve Jobs, der ungläubigen Gemeinde, daß Microsoft und Apple eine strategische Allianz geschlossen hätten, die letztlich beiden nützen werde.

Religiöse Metaphorik traf schon immer die Rivalität zwischen den Betriebssystemen von Apple Macintosh und Windows. Die Anhänger der beiden Betriebssysteme – besonders aber die des Mac – empfanden sich als Parteien in einem Glaubenskampf, vergleichbar dem zwischen Katholiken und Protestanten im Dreißigjährigen Krieg. Jetzt scheint es zum Westfälischen Frieden gekommen zu sein.

Der Teufelspakt sieht vor, daß Microsoft für 150 Millionen Dollar Aktien bei Apple kauft, womit der Urheberrechtsstreit zwischen Apple und Microsoft beigelegt sein dürfte; Apple hat jahrelang die Auffassung vertreten, daß Windows weiter nichts als eine miese Kopie des Mac-Betriebssystems sei. Nun wird die Firma von Bill Gates eine nicht genannte Summe zahlen und sich damit von allen Patentstreitigkeiten mit Apple freikaufen. Microsoft verspricht ferner, seine Software wie bisher auch für Macintosh-Computer weiterzuentwickeln, wofür Apple seinerseits im Gegenzug verspricht, den von Microsoft entwickelten Internet-Explorer zu jenem Stück Software zu machen, mit dem sich von der Apple-Plattform aus am leichtesten das World Wide Web erkunden läßt.

Der Erfolg des Pakts ist nicht nur eine Chance für Apple. An dessen Überleben hängt auch die Zukunft von Microsoft. Die hegemoniale Stellung des Windows- Betriebssystems nämlich bringt Microsoft mit den Kartellbehörden in Konflikt. So ist schon davon die Rede, daß – vergleichbar der Zerschlagung der ehemals größten amerikanischen Telefongesellschaft Bell in viele kleinere Baby Bells – Microsoft in „Baby Bills“ aufgeteilt werden muß. Gates hat sich mit seinem Engagement bei Apple also auch einen 150-Millionen-Versicherungsschein gegen das Kartellamt gekauft.

Apple verkündete auch eine Neustrukturierung seines Aufsichtsrates und versammelt dort jetzt einige Giganten der Computerindustrie – und zugleich Erzfeinde von Bill Gates. Lawrence J. Ellison ist mit dabei, Chef von Oracle, den man als eigentlichen und wahren Gegenspieler von Gates sehen kann – mit seiner Idee, den PC durch den NC (Net Computer) zu ersetzen. Der soll sich seine Software aus dem Netz holen und damit auf einen Schlag die riesigen Microsoftpakete überflüssig machen, deren man mit immer größeren Festplatten Herr zu werden versucht.

Die Mac-Fans regierten zunächst mit ungläubigem Staunen. Das Erscheinen von Bill Gates auf der riesigen Projektionsfläche über der Rednertribüne in Boston wirkte auf die Mac-Gemeinde wie das Auftauchen Darth Vaders auf einer Versammlung von Star- Wars-Fans, kommentierte eine Beobachterin. Auch die Industrie nahm den Deal zunächst skeptisch auf: Das sei, als ob die Nasa versuche, die Raumstation Mir zu retten, sagte ein Silicon-Valley-Investor. Die Börse aber reagierte freundlich: Die Apple-Aktie stieg um 30 Prozent auf 26,31 Dollar. Auch Microsoft stieg um 12,50 Dollar auf 143,34 Dollar pro Aktie. Peter Tautfest, Washington