Meister Petz für alle Fälle

Die Erleuchtung heißt Lumi-Bär: Warum eine Plastik-Lampe gegen Einsamkeit hilft  ■ Von Heike Dierbach

„Ich brauchte ihn einfach. Es ist mir eine innere Befriedigung, ihn zu haben.“Mit Sternchen in den Augen spricht Carola F., 30, von IHM – ihrem erleuchteten, süßen, 60 Zentimeter hohen grünen Liebling. Herzlose Personen könnten ihn auch als Plastiklampe bezeichnen, doch sein wahrer Name ist Bär, Lumi-Bär.

Carola ist nicht die einzige, die es erwischt hat: Aus den Fenstern unzähliger Hamburger Wohnungen grinst und leuchtet Meister Petz in die Welt. Er besetzt die besten Plätze in den Schaufenstern der Einrichtungsläden, er hat sich in die Vorabendserien geschlichen – Lumi-Bär ist überall. „Seit letztem Winter ist das der absolute Renner“, bestätigt Silvia Milewski vom „Lichthaus“, „im Februar kam der Hersteller mit der Produktion gar nicht hinterher.“Wochenlang mußten die KundInnen auf ihren Bären warten.

Was treibt Menschen über und unter 30 dazu, sich einen knallfarbenen, komplett sinnfreien Plastikbären ins Zimmer zu stellen, der obendrein statt Honig lieber Strom frißt? „Es ist die emotionale Komponente“, meint Silvia Milewski, „die Leute sehen ihn und rufen spontan: ,Gott, ist der niedlich!'“Rührt Lumi-Bär gar an menschliche Ursehnsuchten nach goldenen Kinderzeiten? „Der Bär strahlt Freude und Wärme aus“, findet Georg Leidig, der den Leucht-Petz gemeinsam mit seinem Compagnon Heinz Klein „geboren“hat. „Möbel-De-sign ist ja sonst eine sehr ernste Sache.“

Selbst gegen Einsamkeit hilft die bunte Lampe offenbar: „Ich komme ins Zimmer, und er ist schon da“, schwärmen Kunden. „Er“hat immer Zeit, ein offenes Ohr (wenn auch aus Plastik), lächelt stets und widerspricht nie – was will man mehr? Lumi-Bären sind doch die besseren Menschen. Daran, daß die Lampe ein Boom wird, hat Leidig als guter Vater natürlich nie gezweifelt. Wie er auf die bärige Idee gekommen ist? Was für eine Frage! „Das lag einfach in der Luft, freischwebend“, sinniert der Designer. Ach so.

Tausendfach wurde Lumi-Bär mittlerweile geklont, in weiß, grün, gelb, blau, orange und rot. Über die genaue Anzahl der freigesetzten Exemplare hält man sich beim Hersteller Flötotto in Gütersloh bedeckt. Sicher ist, daß sie heute in ganz Deutschland, in Österreich und der Schweiz ihr Unwesen treiben. Dabei fördert Lumi-Bär aktiv die Standortsicherung: 25 neue Arbeitsplätze schaffte er 1996, Tendenz für dieses Jahr steigend.

Nicht nur die Herstellerfirma freut sich über den bärenstarken Absatz. Auch bei Urvater Haribo stehen die Lampen mittlerweile zahlreich in den Büroräumen und finden Verwendung als Werbegeschenke. Pressesprecher Dr. Joseph Weihrauch ist sich sicher, daß der Boom „auch etwas mit der Beliebtheit der Gummibärchen zu tun hat“. Patentansprüche erhebt man aber bei Haribo nicht. „Der ganze Kult um den Bären ist uns nur recht, seien es nun Uhren, Taschen, Handtücher oder was auch immer.“Hauptsache Bär.

Das Lumi-Exemplar kann man allerdings nicht essen, auch zum Kuscheln taugt es nur sehr bedingt. Und als Dekorationsobjekt kann man die bunte Bärenlampe wohl kaum als zeitlos bezeichnen. Doch wen interessiert das schon, wenn er einen doch im Geschäft „so süß“anglupscht? Und für 199 Mark Gummibärchen kaufen wäre ja auch nicht so vernünftig. Carola jedenfalls glaubt nicht, daß sie ihres Lieblings schnell überdrüssig wird. „Und wenn doch, dann schenke ich ihn halt meinem Freund.“

Für den Fall des endgültigen Nichtgefallens informiert der Hersteller pragmatisch: „Der Bär ist hundert Prozent recycelfähig.“Wo der Zeitgeist sein Recht fordert, hört dann halt die Liebe auf. „Es gibt laufend Wellen im Lampendesign. Erst waren es die Gänse, dann beleuchtete Steine, jetzt halt die Bären, da kommt immer etwas Neues“, weiß Silvia Milewski.

Und wer stellt sich noch einen Bären hin, wenn längst beleuchtete Aale der letzte Schrei sind? Mit Aufdruck: „Ich war ein Lumi-Bär“...