„Der Polizist ist richtig ausgerastet“

■ 15jährige Schülerin erstattete Anzeige wegen Körperverletzung / Beamter habe sie „grundlos zusammengeknüppelt“/ Polizei verweist auf die Streßsituationen während der Jugendkrawalle

Die 15jährige Schülerin Jessica Hechler erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bremer Polizei. Sie hat jetzt Anzeige wegen Körperverletzung im Amt gegen einen unbekannten Beamten erstattet. Nach ihren Angaben ist sie am vergangenen Dienstag während der Krawalle zwischen Polizisten und rund 150 ausländischen Jugendlichen in Kattenturm „vollkommen grundlos zusammengeknüppelt“worden. Die Polizei bestätigte gestern nur den Eingang der Anzeige.

Nach Jessica Hechlers Aussagen hatte sie mit den Jugendkrawallen nichts zu tun. „Ich war einfach auf dem Heimweg“, erzählt sie. Etwa 20 Meter vor ihrer Haustür in der Agnes-Heineken-Straße sei ihr der Polizist dann entgegengekommen. „Es waren ungefähr zwei Meter Platz auf dem Gehweg. Zudem war neben mir noch der Fahrradweg. Trotzdem hat der Beamte mich brutal umgerannt und mir mit seinem Schlagstock auf den Arm gehauen“, berichtet die Schülerin. „Dann habe ich nur noch gehört, wie er mich angeschrien hat.“Anschließend sei sie zu Boden gegangen, mit dem Kopf aufs Pflaster geschlagen und habe kurz das Bewußtsein verloren.

Inzwischen ist das Mädchen mit Prellungen am linken Arm, einem Halswirbelsäulen-Schleudertrauma und einer Gehirnerschütterung wieder zu Hause. Bis vergangenen Donnerstag lag sie jedoch im Krankenhaus links der Weser. „Auch den Sommer kann ich im Moment gar nicht so recht genießen, weil ich ständig mit einer Halskrause herumlaufen muß“, ärgert sich die Schülerin. Wegen dieses Handicaps erstattete ihre Mutter auch erst am Donnerstag Anzeige. Auf dem 10. Polizeirevier in Kattenturm wollten die Beamten die Anzeige nicht entgegennehmen – wegen Befangenheit. Im 12. Polizeirevier in der Neustadt hatten Mutter und Tochter dann mehr Glück.

Zu den Motiven für den „Überfall“sagt Jessica: „Der hatte richtig Haß auf alle Jugendlichen, die ihm in die Quere kamen. Der hat auf alles eingeschlagen, egal ob man an den Krawallen beteiligt war oder nicht. Der Polizist ist richtig ausgerastet.“Die aggressive Haltung des bisher unbekannten Polizisten bestätigt auch die Mutter. Die war nach eigenen Angaben von Jessicas Freunden alarmiert worden, die ihr auch den betreffenden Beamten zeigten. „Ich wollte seinen Namen und seine Dienstnummer haben. Er hat dazu aber nichts gesagt.“Sie hat sich daraufhin das Kennzeichen des Dienstwagens gemerkt. Da sich in dem Fahrzeug Hunde befanden, vermutet Familie Hechler nun, daß es sich um einen Hundeführer der Bremer Polizei handelt.

Dort wird der Vorfall zur Zeit geprüft. „Wir wissen noch nicht, um welchen Beamten es sich handeln soll“, sagte ein Polizeisprecher. Das sei jetzt Aufgabe der Innenrevision. Dennoch sagte er zu dem Vorgang: „Sollte das wirklich passiert sein, darf man nicht vergessen, unter welchem Streß die Beamten am Wochenanfang in Kattenturm standen. Da sind teilweise zwei Beamte mit 150 gewaltbereiten, ausländischen Jugendlichen konfrontiert worden.“Dabei sei es fast unmöglich, auf Anhieb zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. „Natürlich ist solch ein Vorfall äußerst bedauerlich. Aber bei der Ermittlung muß man die äußeren Umstände auf jeden Fall berücksichtigen.“Ein Anti-Streß-Programm gibt es übrigens nach Angaben des Sprechers bei der Polizeiausbildung nicht. „Es gibt nur einen freiwilligen Streß-Bewältigungskurs.“

Der Rechtsanwalt von Jessica Hechler, Winfried Wille, will jetzt zunächst die genannten vier Zeugen anhören. „Was die Polizisten aussagen und nicht aussagen, kann man sich ja vorstellen.“Dennoch glaubt er nicht, daß bei der Bremer Polizei ein solcher Vorgang vertuscht würde. „Die Ermittlungen laufen bei Polizei-internen Angelegenheiten immer sehr schleppend. Aber daß etwas unter den Tisch gekehrt würde, kann ich bisher nicht bestätigen.“ Jens Tittmann