Gefragte Zweisprachenschule

■ Mehr deutsche als türkische Eltern interessieren sich für deutsch-türkische Europa-Schule. Einstellungsstopp gefährdet jedoch das Konzept des Modellprojekts

„Eichhörnchen, Hund, Katze“ – welches achtjährige Kind kann diese Begriffe auf deutsch und türkisch lesen und sie dann noch übersetzen? An der ersten deutsch-türkischen Europa-Schule ist das für die SchülerInnen der zweiten Klasse schon fast eine der leichteren Übungen. Mathe auf deutsch und Sachkunde auf türkisch sind da schon ein bißchen schwieriger. Am Samstag wurden am Fraenkelufer wieder zwei erste Klassen eingeschult, heute werden die ganz Kleinen in Empfang genommen: Wegen des großen Andrangs gibt es in diesem Jahr sogar drei statt, wie geplant, zwei Vorklassen.

Und die Warteliste ist, obwohl das neue Schuljahr bereits angefangen hat, noch nicht abgearbeitet. So hoffen immer noch fast ein Dutzend deutscher Eltern, ihr Kind doch noch auf die Kreuzberger Grundschule schicken zu können. Eine Warteliste für türkische Kinder besteht dagegen nicht. Warum das Schulprojekt, das vor anderthalb Jahren von einem Förderverein ins Leben gerufen wurde, bei deutschen Eltern begehrter ist, hat mehrere Ursachen: „Türkische Eltern sind oft übervorsichtig, sie haben Angst, daß ihr Kind nicht ausreichend die deutsche Sprache lernt“, hat Lehrerin Ayse Bardak erfahren. Schulleiter Rudi Lauterbach glaubt, daß die Schule für Deutsche deshalb so attraktiv ist, weil der Lehrerschlüssel höher ist und die Klassen nicht so überfüllt sind: „Andere Kreuzberger Schulen sind knallvoll.“ An der Europa-Schule gehen nur 24 SchülerInnen in eine Klasse, die Kids werden in manchen Stunden jeweils von einer deutschen und einer türkischen Lehrerin gemeinsam unterrichtet.

Nachdem die zwei ersten Klassen im vergangenen Schuljahr das Modellprojekt erstmals durchlaufen haben, sind nicht nur die Eltern, sondern auch die LehrerInnen zufrieden: „Hier bekommen die türkischen Kinder endlich einen Zugang zur deutschen Gesellschaft“, sagt Lehrerin Christine Guerdiri, die jahrelang an einer „normalen“ Kreuzberger Grundschule gearbeitet hat.

Doch trotz der positiven Resultate an der türkisch-deutschen Europa-Schule ist das Konzept der Europa-Schulen mittlerweile durch die Kürzungspolitik gefährdet: Durch den Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst werden keine muttersprachlichen LehrerInnen mehr eingestellt. Am Fraenkelufer ist das noch zu verkraften, denn es gibt bisher genügend türkische LehrerInnen, die aus anderen Schulen „umgeschichtet“ werden können. Die sich ebenfalls im Aufbau befindliche italienische Europa-Schule hat dagegen immense Schwierigkeiten mit ihrem Personal, denn italienische LehrerInnen sind im öffentlichen Dienst nur schwer zu finden.

Erste Auswirkungen der Einstellungspolitik des Senats sind dennoch auch an der deutsch-türkischen Schule zu spüren. Für den Nachmittagsbereich – die Schule ist von 8 bis 16 Uhr geöffnet – gibt es mit einer Ausnahme nur deutsche ErzieherInnen, die aus der Überhangliste kommen. Für Özcan Mutlu, Mitglied des Fördervereins, unverständlich: „Es gibt genügend türkische ErzieherInnen, ein Tausch wäre bestimmt möglich.“ Besonders bei Spielen am Nachmittag sei es wichtig, daß beide Sprachen und nicht nur die deutsche durch die deutschen ErzieherInnen gefördert würden. Julia Naumann