Italien wünscht deutsche Führung

Regierungschef Romano Prodi schlägt Bundesbanker Hans Tietmeyer als Chef der Europäischen Zentralbank vor. Er sorge für einen harten Euro, an dem auch Italien beteiligt ist  ■ Aus Rom Werner Raith

Bekannt ist Italiens Regierungschef Romano Prodi für seine diplomatische Sprache. Um so ungewohnter seine deutlichen Worte in einem Interview mit der Welt am Sonntag. Dort hat er eine Generalabrechnung zum derzeit miesen deutsch-italienischen Verhältnis vorgelegt. Er habe volles Verständnis für Deutschland, so Prodi, als das Land das Jahrhundertwerk der Wiedervereinigung angegangen sei und durch seinen „politisch unvermeidlichen“, wirtschaftlich aber fragwürdigen Mark-Umtausch eins zu eins böse Folgen für die europäischen Partner provoziert hatte. „Aber jetzt ist Deutschland an der Reihe, die historische Entwicklung zu verstehen“, sagte Prodi. Deutschland müsse Italiens „Ansprüche und die der anderen Partner in Europa anerkennen“. Das bedeutet: Schluß mit den Querelen um die Beitrittskandidaten zum Euro.

Das Interview sorgte bereits vorab auch in Italien für Furore: Daß die Deutschen in Schwierigkeiten sind, bereitet vielen im Lande eine klammheimliche Freude, und so raten zum Beispiel die Neokommunisten aus Prodis Koalition dem Ministerpräsidenten, er solle die Deutschen ihre Probleme selbst lösen lassen. Die Rechtsopposition wittert ein „Ablenkungsmanöver vom Zerfall seiner Koalition“, seit die Grünen wiederholt von einem Austritt aus der Regierung gesprochen haben. Tatsächlich aber beschäftigt Prodi wohl wirklich die „Angst vor einem Deutschland, das Angst hat“.

Die Angst der Deutschen vor einer weichen Euro-Währung versteht Prodi. „Doch dafür gibt es keinen Grund mehr.“ Dazu macht er dann einen Vorschlag, der in Bonn und Paris erhebliche Diskussionen auslösen wird: Bundesbankchef Hans Tietmeyer, Paladin der harten Währungspolitik, solle Chef der neuen Europäischen Zentralbank werden. „Wir würden eine Kandidatur Tietmeyers eindeutig unterstützen.“

Im übrigen, so Prodi, sei es Humbug, wenn Italien nach all den Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung noch immer als unzuverlässiger Buhmann aufgebaut werde, und wenn deutsche Politiker ihre Wahlkampfchancen durch Prügel auf den Nachbarn erhöhen wollten. Da er schon beim Thema war, prügelte er selbst kräftig – und nicht ganz ohne Recht – auf Deutschlands Innenminister Manfred Kanther los. Der sorge sich ja immer wieder, daß beim Beitritt Italiens zum Schengener Abkomen (Aufhebung der Binnengrenzen), Hunderttausende von Drittwelt-Menschen über Italien nach Deutschland einsickerten. Dabei würden „die vielen Polen“ in Rom auch nicht vom Himmel fallen, „sondern über Deutschland“ einreisen. Ein Volltreffer, zweifellos.