Kurzatmige Bauherrenphantasien

■ Freundlich versponnen und unübersehbar: „Bautafel“, eine stadtweite Architektur-Ausstellung

In einer Stadt, wo es im Bausektor als erstes an Imagination und Phantasie fehlt, ist die Idee, Vorhaben anzuzeigen, die es nie geben wird oder kann, ganz vorzüglich. Und nichts eignet sich dazu besser als das scheinbar so offiziöse Medium der Bautafel, zu deren Aufstellung laut Gesetz jeder reale Bauherr verpflichtet ist. Der ganze murrende Haufen von Architekten und Künstlern, die ihre Vorstellungen von zeitgemäßer Urbanität in Hamburg mit jedem neuen realisierten Projekt verspottet fühlen, könnten bei einer stadtweiten Ausstellung wie „Bautafel“die Gelegenheit ergreifen, Stoff zur Diskussion über eine andere Lebenswelt zu liefern. Klug inszenierte, unübersehbare Schilder, die unerwartet im Stadtbild auftauchen, könnten der Mehrheit der Menschen, die selten so richtig weiß, warum sie sich an einem Ort wohl-, an einem anderen unerwünscht fühlt, sprachliche und bildliche Mittel an die Hand geben.

Der von den beiden Architekten Achim Aisslinger und Stefan Bolenz zum Architektursommer organisierte Tafelwald zwischen Övelgönne und St.Georg, Landungsbrücken und Schanzenviertel hat aber den beteiligten Kulturschaffenden zu wenig Vorgaben gegeben, um einen konkreten, kritischen Eingriff zu erzielen.

Von Ausnahmen abgesehen, die das Projekt der Architektur oder des entgrenzten Denkens annehmen, haben die meisten der 17 Beteiligten freundlich Versponnenes oder städtische Dekoration geliefert, die ohne Kommentar etwas verloren im Wind steht und von den Passanten in der Regel schulterzuckend wahrgenommen wird.

Nun muß es nicht die Absicht der beiden Kuratoren sein, einen Bautafel-Katechismus für eine kulturell verstandene Stadtentwicklung zu liefern, aber eine aufgeblasene, kaum zu entziffernde Krickelzeichnung oder ein Schild, auf dem in einer vokabelarmen Gegend wie in St.Pauli groß „Velocity“prangt, vertut die Chance des Mediums.

So genial die Idee der Ausstellung ist, so kurzatmig sind doch viele ihrer Umsetzungen. Den Fleethof einfach bunt zu kolorieren, erklärt nichts über dessen städtische und architektonische Unmöglichkeit, und ein paar Blumentöpfe zu malen und „Privat-Grün“drüberzuschreiben, sagt über die Problematik von öffentlichem Grün auch nur Populistisches. Da es hier aber nicht um eine städtische Galerie im neuen Kleid gehen sollte, sondern um eine künstlerisch-architektonische Intervention, vermißt man den Dienst am Stadtkörper, zu dessen Pflege die Architektur ja eigentlich aufgerufen ist.

Um die grandiose Idee aber nicht mit ihrer Umsetzung absaufen zu lassen, sollte man vielleicht ein kontinuierliches Projekt aus der Bautafel machen. Mit geringer Unterstützung der Architekten, Institute und der Stadt ließe sich so ein permanenter Diskurs über Wunsch und Wirklichkeit des Bauens in der Stadt implantieren. Denn der Wandel der Vorstellungen über ein Leben unter Millionen geht schließlich jeden etwas an.

Kees Wartburg

Eine Materialbox, die das oft schwierige Auffinden der Bautafeln erleichtert, erhält man über die Veranstalter, Tel.: 040/430 88 11.