Baumwall: Als die Schiffsmeldungen noch per Holztelegraph nach Hamburg kamen

Die U-Bahnstation am Baumwall liegt hoch über der Straße. Nebenan residiert der Gruner + Jahr-Verlag in postmoderner Schiffsleib-Architektur. Der Name der Straße erinnert daran, daß an dieser Stelle die Einfahrt zu Hamburgs Binnenhafen war, kenntlich gemacht durch einen Schlagbaum, der bei Nacht die Durchfahrt sperrte. Nur ein altes Sielhäuschen in der Nähe verrät heute noch, daß die Straße um die Jahrhundertwende zu einem dichtbesiedelten Wohngebiet für Hafenarbeiter, Seeleute und arme Familien gehörte. Dabei hat der schmucke, winzige Bau gar nichts mit den Bewohnern zu tun: Er wurde eigens als standesgemäßer Einstieg für den Kronprinzen errichtet, als der samt Gefolge 1895 Hamburgs berühmtes Sielsystem durchpaddeln wollte.

Von 1662 bis zu seinem Abriß 1857 befand sich hier einer der nobelsten Treffpunkte der Stadt, das Baumhaus. Gleichzeitig Zollhaus, hatte es im Obergeschoß ein Restaurant, das bei den Bürgern sehr beliebt war. Denn hier gab es nicht nur den begehrten „Coffee“, hier war es neben dem Einbeckschen und dem Schützenhaus auch einzig erlaubt, importiertes Bier auszuschenken. Und von dem turmartigen Aufbau hatte man einen beispiellosen Blick über Hafen und Elbe.

Im ersten Stock des Hauses bot ein Saal Platz für 200 Menschen. Viele Konzerte fanden hier statt, besonders im 18. Jahrhundert, als Musiker wie Georg Philipp Telemann und Carl Philipp Emanuel Bach die Musikszene der Hansestadt bestimmten.

Auf dem Baumhaus stand der erste Telegraph der Hansestadt. Und das schon lange, bevor es Elektrizität gab. Die Kaufleute wollten immer möglichst schnell wissen, wann ihre großen Segler aus fernen Landen zurückkamen. Zwischen Hamburg und Cuxhaven wurden auf 16 Zwischenstationen große Gestelle mit zwei hölzernen Armen aufgebaut. Von einer Station zur anderen konnte man nun mit dem Fernrohr ablesen, was durch unterschiedliche Stellungen der Holzarme signalisiert wurde.

Gute Dienste leistete dieser „Sender“beim Großen Brand 1842, als damit Feuerwehren des Umlandes zu Hilfe gerufen wurden. Später stand der Holztelegraph noch für einige Zeit auf dem neuerbauten Posthaus in der Poststraße. Erst der Fortschritt machte ihm vollends den Garaus: Denn 1848 wurde mit Leitungen, die auf 2.800 Masten hingen, der erste „Electro-Magnetische Telegraph“in Betrieb genommen. Heute ist der Baumwall eine Bürowüste. Die Gründerzeit-Gebäude am Baumwall/Ecke Rödingsmarkt sind imposant, auch ein Blick in die Treppenhäuser lohnt sich. Abends ist die Gegend verwaist. Selbst der kleine Kiosk im U-Bahnhof Baumwall hat geschlossen.

Lediglich das Restaurant „Feuerschiff“gegenüber dem Gruner + Jahr-Palast sorgt für etwas Leben. Wer das nötige Kleingeld hat, kann daneben gleich seine Yacht im „City-Hafen“parken. Oder auch sein Flugboot. Eines ist schon da.

Petra Oelker/

Fotos: wap, Markus Scholz