Wider den Strom

Hamburger Kutter blockieren die Elbe. Ausbaggerung und Kanalisierung des Flusses gefährdet Fische und Fischer  ■ Von Heike Haarhoff

Der Urlauber aus dem Schwarzwald blinzelt gegen die Sonne, die sich im Elbwasser bricht. Doch, er hat richtig gesehen: Vier Fischkutter samt Netzen ziehen da gemächlich ihre Bahnen auf der Elbe vor Blankenese, umkreisen sich, bilden eine Kette. Die soll jedem anderen Schiff die Durchfahrt versperren. An einem Mast flattert ein Transparent: „Dr. Voscherau“, entziffert der Schwarzwälder, folgert: „Ah ja, des iss euer Bürgermeischter, gell“, und daß es sich um eine Demonstration handelt. Weiter liest er: „Wir möchten Elbfischer bleiben.“

Am Anleger Blankenese baut sich bereits die Wasserschutzpolizei mit zwei Schiffen auf und droht „Ihnen, die Sie hier gegen die Elbvertiefung protestieren“, mit Anzeige. „Scheiß drauf“, tönt es aus einem fünften Kutter zurück, der sich inzwischen am Anleger postiert hat, und der Herr aus dem Schwarzwald sagt „komisch“. Denn was der Bärtige am Steuer mit seinen Kollegen zu Wasser über Funk bespricht, versteht der Zugereiste nicht, die Funksprache ist Platt: „Ick weet ook nich, wieso dat so lang duat“, brummelt Elbfischer Heinz Oestmann ins Walkie-Talkie. Zu sechst – also mit so vielen Booten, wie es in Hamburg noch Elbfischer gibt – wollten sie hier in Blankenese gestern morgen gegen die geplante Elbvertiefung demonstrieren und dazu das Fahrwasser für andere Schiffe zeitweilig blockieren.

Aber der sechste Mann, Fischer Walter Buckow, fehlt noch. Und so erzählt Heinz Oestmann der Presse und dem interessierten Herrn aus dem Schwarzwald schon mal, daß der Ausbau der Fahrrinnen zwischen Hamburg und Cuxhaven von 12,80 auf 13,80 Meter Tiefe die Existenz der Elb- und Küstenfischer bedroht. Und das nur zugunsten der tideunabhängigen Einfahrt großer Containerschiffe. „Je tiefer du den Fluß ausbaggerst und ihn zu einem Kanal machst“, erklärt Oestmann, „desto stärker wird die Strömung.“

So stark, daß die Fische nicht mehr dagegen ankommen. So stark, daß sie gezwungen sind, ihre Wege, ihre Laich- und Aufzuchtgebiete zu verlagern. Oder gleich auszusterben. „Wir können heute schon kaum mehr vom Fischen leben“, klagt Oestmann. Früher waren die Netze 40 Quadratmeter groß, heute sind es 140 und mehr, die in zehn Meter Tiefe ausgelegt werden, „damit überhaupt noch was reinkommt“. Trotzdem sei der Umsatz in zehn Jahren um 20 Prozent zurückgegangen.

Endlich ist der sechste Kutter da; Journalisten und Kamerateams steigen zu. Die Wasserpolizei, verteilt auf drei Schiffe mit Blaulicht und einen Hubschrauber, folgt der friedlichen Formation in geringem Abstand, und Heinz Oestmann sagt: „Fehlt nur noch das U-Boot.“

„Auf uns“, sagt einer der Elbfischer, der Eberhard heißt, „nimmt keiner Rücksicht.“Wie „rechtlose Gesellen“behandele „die Politik“die Fischer. Ein Polizist in Khaki winkt fröhlich den Presseknipsern in die Linse. Seit mehr als einem Jahr, fährt Eberhard fort, forderten die Fischer Verhandlungen mit den zuständigen Ministerien für Verkehr in Bonn und Wirtschaft in Hamburg. Vergeblich. Sie wollen verbindliche Zusagen, daß die traditionelle Fischerei gesichert wird. Daß das Fischen im Fahrwasser weiter zulässig bleibt. Daß es keine Fangverbote ohne Absprache mit ihnen geben darf. Daß die Elbvertiefung die Fischerei nicht beeinträchtigen darf.

Die Wassergütestelle Elbe in Hamburg kennt „die Bedenken der Fischer“, der Bund für Umwelt und Naturschutz teilt sie. „Sensible Flachwasserzonen, wichtige Kinderstuben für Elbfische“, würden durch das geplante Ausbaggern im nächsten Jahr „nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen“, kritisiert der BUND. Die Wassergütestelle weiß, „daß im Hauptstrom der Elbe wegen der Strömung schon heute nur noch wenige Fische leben“. Die Flußtiere zögen sich in Flachwasserbereiche am Ufer zurück, aber selbst diese Lebensräume seien nun bedroht: Durch höhere Flutwellen würden sie überschwemmt.

„Wenn bis Samstag keine Reaktion aus Bonn da ist, wird es ernst“, droht Oestmann. „Dann kommen auch die Kollegen von der Küste. Dann machen wir den ganzen Hafen dicht.“Dann, bedauert der Herr aus dem Schwarzwald, sei sein Urlaub in Hamburg zu Ende.