Colonel Mahmud muckt auf

■ Ein abtrünniger tadschkischer Militär zerstört die Hoffnung auf Frieden in der kaukasischen ehemaligen Sowjetrepublik

Berlin (taz) – Die Aussichten auf Frieden in Tadschikistan schwinden von Tag zu Tag. Gestern nahmen Soldaten des Präsidenten Imomali Rachmonow Stellungen des abtrünnigen Obersts Mahmud Chudoberdjew 20 Kilometer südlich der Hauptstadt Duschanbe unter Artilleriebeschuß. In der Nähe des Ortes Leur schlugen Raketen- und Granatsalven ein. Auch westlich von Duschanbe kam es nach Angaben russischer Militärs zu Kämpfen zwischen der Präsidentengarde und Anhängern Chudoberdjews.

In der Nacht zum Montag wurde nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Interfax bei den Kämpfen ein Soldat des Innenministeriums getötet, vier Soldaten wurden verwundet. In Duschanbe selbst waren die Kämpfe am Sonntag abgeflaut, nachdem Truppen des Innenministeriums einen Stadtteil erobert hatten, den bis dahin ein anderer rivalisierender Kommandeur gehalten hatte. Gestern wurden wieder Zivilisten auf den Straßen gesehen, Autos und Busse fuhren, und die Geschäfte waren geöffnet.

Chudoberdjew, Kommandeur der Schnellen Eingreiftruppe, einer Eliteeinheit der tadschikischen Streitkräfte, hatte die Kämpfe in Duschanbe genutzt, um von seinem wirtschaftlich attraktiven Herrschaftsbereich im Süden des Landes auf die Hauptstadt vorzurücken. Über seine politischen Ziele herrscht bisher Unklarheit. Vermutlich geht es dem als Colonel Mahmud bekannten Militär, der sich schon mehrfach gegen die Regierung stellte, einzig um den Ausbau der eigenen Macht. Die russische Nachrichtenagentur Itar- Tass meldete am Sonntag, Chudoberdjew habe in einem Telefongespräch bestritten, daß er seine Truppen in Duschanbe einmarschieren lassen wolle, und seine Loyalität zu Präsident Rachmonow betont. Seine Einheiten hätten nur deshalb zu den Waffen gegriffen, weil sie von der Präsidentengarde unter General Gafar Mirsojew angegriffen worden seien. Dieser behauptete dagegen, Chudoberdjew habe seine Truppen zum Sturm auf Duschanbe aufgefordert. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte General Mirsojew am Sonntag mit den Worten: „Chudoberdjew will einen Putsch.“

In der früheren Sowjetrepublik Tadschikistan sind etwa 20.000 russische Soldaten als Grenzschützer und Friedenstruppen stationiert. Beobachter fürchten, sie könnten auch noch in den unübersichtlichen Konflikt eingreifen. In Moskau beruhigte gestern jedoch ein Sprecher des Außenministeriums, Rußland werde vorläufig in Tadschikistan nicht intervenieren. Übereilte Maßnahmen könnten die Lage nur verschlimmern. Der prorussische Präsident Rachmonow hatte am 27. Juni in Moskau ein Friedensabkommen mit der islamisch dominierten Vereinigten Opposition Tadschikistans (OTO) unterzeichnet. Die unter Vermittlung Rußlands und Irans zustande gekommene Vereinbarung beendete einen fünfjährigen Bürgerkrieg, der nach der Unabhängigkeit des Staates begonnen und über 50.000 Menschen das Leben gekostet hatte. Laut dem Friedensabkommen sollen Gefangene ausgetauscht werden, Flüchtlinge zurückkehren, Neuwahlen stattfinden, Milizen in Militär und Polizei eingegliedert werden und die Opposition ein Drittel der Staatsverwaltung besetzen dürfen, bis hoch zur Regierung.

Doch bisher hat nur die Rückführung der ersten von insgesamt 600.000 Flüchtlingen begonnen. Für die Umsetzung des Abkommens soll eine Nationale Versöhnungskommission unter Leitung des Oppostionsführers Said Abdulloh Nuri sorgen. Das Gebäude dafür steht in Duschanbe bereit: ein ausgemustertes sowjetisches Hotel. Es ist leer. Denn bisher beobachten die tadschikischen Oppositionsführer die Kämpfe zwischen den rivalisierenden Militärs aus dem Regierungslager vom sicheren Exil in Afghanistan und Iran aus. Und solange rund um die tadschikische Hauptstadt weiter Schüsse fallen, wird es wohl so bleiben. Thomas Dreger