Sex, fuck and nearly no Rock'n'Roll

■ Die englische Metaltruppe Rockbitch zeigte sich im Aladin als eigenwillige Erbin von Elvis kreisenden Hüften

Als Tourmanager Ray Davis hörte, daß ich allein ohne Photographin komme, bedauerte er mich aufrichtig. „Schade, denn das Konzert hat viele visuelle Aspekte.“Visuelle Aspekte - nun ja, so kann man das auch nennen, was die englische Metalband Rockbitch auf der Bühne der Discothek Aladin zeigte.

Sechs junge schöne Frauen und ein älterer unattraktiver Mann mühten sich nachdrücklich, dem ausverkauften Saal ein neues Kapitel der ewigen Liaison von Sex und Rock'n'Roll zu präsentieren.

Kaum daß das Trommelfell das erste Brachialgewitter aus verzerrten Gitarren, kreischenden Stimmen und jaulenden Keyboards einigermaßen schadlos überstanden hatte, bot sich den Augen der Auftakt zu einem wüsten Spektakel. „Do you want to fuck us?“brüllte Sängerin Julie ins Mikro, und daß diese Frage weder rhetorisch gemeint noch ein abgeschmackter Anheizerspruch zum Konzertbeginn war, dämmerte schon, als die barbusige Gitarristin Babe den Minirock im Soldatenlook lupfte und ihre rasierte Vagina darbot. Mensch, ganz schön nachlässig bekleidet, dachte ich noch so bei mir, aber als dann die, sieht man von einem mikroskopisch kleinen Keuschheitsgürtel ab, ziemlich nackte „Sexsklavin Luci“die Bühne betrat, mußte ich endgültig die Illusion begraben, einem Konzert der zukünftigen Vorgruppe der Kelly Family beizuwohnen.

Dem provokativen Beginn folgte nahtlos ein greller Effekt nach dem anderen. Akt zwei der Performance nannte sich „Fist fuck“, weil Babe mit ihrer Hand zur Abwechslung nicht ihr Instrument quälte, sondern sie während eines Solos des Leadgitarristen Beast (nomen est omen!) nirgendwo anders hinzustecken wußte als in den Unterleib von Luci.

In diesem Stil ging es unerbittliche 90 Minuten weiter. Am Ende der Veranstaltung war keine Leibesöffnung der beteiligten Frauen mehr unbekannt, alle Körpersäfte waren zigmal ausgetauscht, und wer es noch nicht wußte der weiß es nun: Frauen können Bierflaschen leertrinken oder sie als Onanierhilfe nutzen. Und, bei den Temperaturen vielleicht nicht unwichtig: ein Schluck Pisse löscht auch den Durst und ist allemal billiger als Gerstensaft.

Aber nicht nur aufgrund dieser eigenwilligen Lebensmittelkunde hinterließ der bizarre Auftritt der Ex-Stripperinnen aus der englischen Hauptstadt beim Betrachter einen schalen Geschmack. „Was soll das?“fragt man im Zeitalter des ,anything goes' schon längst nicht mehr, und das aus Schulzeiten bekannte „Was will uns der Dichter damit sagen?“führt angesichts dieser absurden Kombination aus lauter Musik und drastischer Pornographie nicht sehr weit.

Ficken, ficken, ficken und immer an die ZuschauerInnen denken - umgeben von der Aura des permanenten Tabubruchs reicht ein derart simples Programm schon aus, Säle zu füllen mit Menschen auf der Suche nach dem ultimativen Kick und der Sehnsucht nach Partizipation am einmaligen, unwiderbringlichen Skandalon. Und was sagten die BesucherInnen? Susanne und Ulf fanden „die Show und die Weiber einfach geil“, Claudia und Michael bewunderten „den Mut, sich so exzessiv zu geben“, und Thomas und Gahna betonten schließlich, daß „die Musik richtig gut“gewesen sei. Is' klar, und im Playboy standen bekanntlich schon immer die besten Reportagen ... .Zott

zott