Umkämpfte Wasserbetriebe

■ Heute geht es in einer Personalversammlung um die Privatisierung. Politiker und Gewerkschafter sind sich darüber uneinig, was ein "schlagfertiges Unternehmen" ist

Die Kanalarbeiter suchen die Öffentlichkeit. Mit großflächigen Anzeigen versuchen die Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe seit gestern, die „lieben MitbürgerInnen“ gegen die bevorstehende Privatisierung zu mobilisieren. In martialischem Ton ist von „Kampf“ die Rede und alles zu tun, um „diesen Betrieb im Besitz der Berliner Bevölkerung zu halten“. Aus den Wasserhähnen komme kein sauberes Wasser mehr, wenn das größte Wasserver- und -entsorgungsunternehmen Deutschlands in private Hände übergehe. Heute wird das erste Scharmützel des Kampfes in der Deutschlandhalle geschlagen.

Außer den Personalräten werden heute auch Politiker vor die Personalversammlung der rund 7.000 MitarbeiterInnen treten, um ihnen reinen Wein einzuschenken. SPD-Fraktionschef Klaus Böger, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Volker Liepelt, und Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) werden für die Privatisierung sprechen. Dabei dürfte auch das eine oder andere kritische Wort zur Anzeigenkampagne fallen. „Mit solchen Mitteln kann man die Bevölkerung nicht hinters Licht führen“, sagte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller.

Auch der mächtige ÖTV-Vorsitzende Kurt Lange wird das Wort ergreifen. „König Kurt“ gilt als Gegner der Privatisierung. Hauptargument Langes: Die Verteilung des wichtigsten Lebensmittels sei ein natürliches Monopol. Dies an Private abzugeben, widerspreche sowohl wirtschaftsliberalem als auch sozialdemokratischem Marktdenken.

Ungeachtet dessen sind die Begehrlichkeiten auf die Wasserbetriebe groß. Der Wasserversorger ist die Perle unter den Berliner Eigenbetrieben. Das formell als Anstalt des öffentlichen Rechts im Eigentum des Landes geführte Unternehmen ist profitabel, investitionsstark und vor allem innovativ. Längst strecken die Wasserbetriebe ihre Hand nach strategischen Beteiligungen aus. Die Tochter BerliKomm etabliert sich mehr und mehr als aussichtsreicher Konkurrent der Telekom im Telefongeschäft. Und mit dem Sekundärrohstoffverwertungszentrum „Schwarze Pumpe“ halten die Wasserbetriebe nach eigenen Angaben die modernste Abfallverwertungsanlage überhaupt.

Der Verkauf der Wasserbetriebe soll laut Senat aus zweierlei Gründen erfolgen. Zum einen werden auch 1998 erhebliche Mittel benötigt, um das immense Haushaltsdefizit zu schmälern. Zum anderen sollen, so der zuständige Wirtschaftsstaatssekretär Dieter Ernst (CDU), die Wasserbetriebe auch von der Rechtsform her ein „schlagfertiges Unternehmen“ werden. Christian Füller