Goa in Kirchhorst

■ Alpha Andre , Mitbegründer einer Goa-Szene in Bremen, veranstaltet „Euphorie“

Die Buchstabengröße von Technoflyers und -mags, so sollte man heutzutage die Flugblätter und Fanzines der Szene nennen, beträgt höchstens vier Punkt. „Teils aus Kostengründen, aber auch, weil wir uns keine Bleiwüsten wie die der taz wünschen und dem Bild großen Raum freischaufeln“, erklärt Andre Szigethy. Trotzdem: Lesen können das nur Gameboy-geschulte Augen. Um unser Augenlicht zu schonen, lassen wir uns lieber vom Bremer Konzertveranstalter erzählen, was er da am nächsten Samstag unter dem Logo „Euphoria Open air: The Circle of Life“in Kirchhorst, Nähe Hannover veranstaltet.

Aber: Wie erklärt man einem Techno-Idioten, was „Psychedelic Trance“, auch Goa genannt, ist? Alpha Andre versuchts mit Arte, dem Kulturkanal. Ein Dokumentarfilm, vor zwei, drei Jahren ausgestrahlt, verglich Trance mit Stammestrommeln in Afrika, mit der Musik von Indios und indischen Ragas. Und siehe da, nicht nur das Tempo ist ähnlich, sondern auch der funktionale Rahmen: Techno wird wie rituelle Musik in Gemeinschaft zelebriert und es dauert lange, viele Stunden, ganze Tage bis es „wirkt“. „Da ist es ganz egal, ob du Drogen nimmst oder nicht.“Ja, ja, kennen wir schon, von wegen die Musik sei die eigentliche Droge; ist wohl sogar zutreffend, so postmodern teils-teils-zutreffend zumindest.

Mit Goa hat die Technomusik endlich die Rückbindung zu älterer Rockmusik, oder zumindest zu jenem psychedelischen Genre der 70er Jahre, gefunden. Deshalb können sich auch viele (unfreiwillige) Mitglieder der elder generation in die Trance-Kultur einklinken. „Das Trancepublikum ist ein buntes Gemenge. Eine der wenigen Szenen, die auf Separierung verzichtet. Hier wird noch praktiziert, was man früher mal unter ,open mind' verstand.“Indienröcke flattern einträchtig neben Irokesenkämmen. Schüler hüpfen neben ihren Lehrern. „Musiker, Veranstalter und Produzenten der Szene sind nicht selten Enddreißiger.“Ihr kultureller Background ist irgendwo zwischen beat generation, Timothy Leary und der Partykultur angesiedelt, die in den 70er Jahren im indischen Goa entwickelt wurde. Auch dort war ja Trance keineswegs gekoppelt an langsame Rhythmen. „Mit 120 beats/min war man schneller als die Discomusik der Zeit.“Das Niederrennen der Bewußtseinsgrenzen im Eiltempo. Aber nicht nur die Fangemeinde hat melting-pot-Charme, auch die Musik der Goa-Szene setzt auf aufmunterndes Durcheinander. „Da gibt es langsame und schnelle Stücke“, erklärt Alpha Andre. Aber erst unser wiefer taz-Anzeigenmann kann die tiefere Bedeutung der „temporären“Vorgänge erhellen: „Bei dieser Musik sind am wichtigsten die Steigerungen. Ist dann ein Höhepunkt erreicht, schreit die ganze Tanzfläche juchu – wie beim Orgasmus.“

Vor etwa vier Jahren fing in Bremen die Goa-Szene an zu sprießen. „Wir machten Partys unter dem Namen „Amazone“. Erst kamen 200, dann 250, dann 300 usw.“Jetzt wagt sich Andre Szigethy an seinen ersten großen outdoor-Goa-event. 1.500 Karten muß er loswerden, um seine Unkosten zu decken. „Die Toiletten sind schweineteuer.“Natürlich gibts's auch anderes.. Beim Techno überhaupt, besonders aber beim Goa spielt die Optik eine tragende Rolle. Technikversiert wie sie ist, hat die Szene eine natürliche Affinität zur Videokunst. Häufig flimmern abstrakte Bilder über die Leinwand. Die Gruppe „Lunatic Eclipse“aber zum Beispiel kontrastiert ihren sonnig-angenehmen ambient-sound mit drastischen Bildern vom Robbenschlachten. bk

am 16.8., Einlaß: 16h