Sind Sie glücklich?
: „Scheiß auf die Spießergesellschaft“

■ 11 Uhr, Alexanderplatz. Punk Horst kann das Leben nur ertragen, wenn er genug Alkohol intus hat. Aber selbst dann möchte er sich manchmal die Kugel geben

„Sind Sie glücklich?“ will die taz wissen und hört sich täglich um 11 Uhr abwechselnd auf dem Wittenbergplatz und Alexanderplatz um.

Der 24jährige Punk Horst: Ich bin glücklich, wenn ich genug Alkohol kriege. Scheiß auf die Spießergesellschaft. Einfach hinsetzen und feiern. Was soll ich sonst machen? Den letzten holt die Bundeswehr! Ich lebe vom Schnorren, was sonst. Zur Zeit kriegt man verdammt wenig. Früher ging's besser, die Schokopunks nehmen uns die besten Plätze weg. Die Leute geben lieber denen was, weil die nur mal kurz von Mami abgehauen sind und fitter aussehen als wir. Heute kriegste vielleicht zwei Mark in einer Stunde. Bis vor einem Jahr habe ich in Frankfurt am Main in einem Supermarkt als Einzelhandelskaufmann gearbeitet. Ich hatte keinen Bock, stellvertretender Leiter zu werden. Da bin ich abgehauen. In Berlin bin ich hängengeblieben. Einmal Berlin, immer Berlin! Die Kumpels hier sind wie ein Magnet. Ich kack' mal hier, mal da ab. Letzte Nacht haben wir uns auf einer Wiese an der Friedrichstraße gehauen. Wir sind wir: Punk, Müll, Dreck, Abfall eben.

Glücklich bin ich nur, wenn ich meinen Alk hab'. Sonst geht's mir mies. Jetzt habe ich sechs Bier intus. Zwei Liter Korn und ein halber Kasten Bier am Tag müssen schon sein. Manchmal würde ich gern mit dem Alk aufhören, aber nicht solange hier diese Spießer mit Krawatte und Handy rumlaufen. Oder die ganzen Naziwichser, die einen als linke Zecke beschimpfen. Wir kriegen ganz schön die Fresse voll. Schön wär's schon, wenn ich mal wieder 'ne Freundin hätte, oder so. Aber dafür seh' ich zu asomäßig aus. Glück wäre, wenn ich sterben würde. Dann hätte ich die ganzen Spießer nicht mehr am Hals. Ich sag' mir zwar auch: Scheiß drauf, leb dein Leben, wie du willst. Trotzdem würde ich mir am liebsten die Kugel geben. Plutonia Plarre

Heute stehen wir auf dem Wittenbergplatz