Hau weg den Ball

■ Der MSV Duisburg erhält sich beim 0:0 gegen Auxerre mit seiner simplen Form der Defensive die Uefa-Cup-Chance

Duisburg (taz) – Es sah nicht so aus, als hätte Sandor Puhl große Lust, diese Partie zu pfeifen. Längst standen alle Spieler des MSV Duisburg und des AJ Auxerre in drückender Abendhitze auf dem Platz bereit, aber vom ungarischen Starschiedsrichter fehlte jede Spur. War er beleidigt, als 69. Spiel seiner internationalen Laufbahn so etwas Absonderliches wie ein UI-Intertoto-Cup-Finalhinspiel pfeifen zu müssen? Sechs Minuten nach dem geplanten Anstoß ließ er die Mannschaften jedenfalls erst mal von einem seiner Assistenten zurück in die Katakomben rufen. Kam dann aber glücklicherweise postwendend mit den Spielern in ordentlicher Aufstellung im Schlepptau endlich persönlich hinaus ins Wedau-Stadion. Und wie seine Handsignale an einen Mitarbeiter der ARD zeigten, war die Verzögerung bloß Zugeständnis an die verlängerte Vorberichterstattung des Senders für die Zuschauer, die das Spiel lieber zu Hause verfolgen wollten.

Später machte Duisburgs Trainer Friedhelm Funkel seinem Herzen Luft, weil nicht einmal 10.000 Menschen das Stadionerlebnis dem kurzen Weg zum Kühlschrank vorgezogen hatten: „Da fehlen mir die Worte.“ Da kann es noch soviel bundesweiten Fußballboom und noch so speziellen Hype im Ruhrgebiet geben – beim MSV Duisburg bleibt der Anhang selbst dann altmodisch unaufgeregt und übersichtlich, wenn es zum erstenmal seit 19 Jahren um die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb geht. Einem echten. Schließlich sorgt der UI-Cup für sich bei niemandem für die modische Regung Euphorie. Ein Wettbewerb mit drei Finals und keinem Siegerpokal taugt ja nicht einmal für den Briefkopf.

Vielleicht wird die UIC-Reputation einmal besser, wenn auch Italiener und Spanier mitmachen und die Engländer zurückkehren. Zur Zeit ist die Veranstaltung eher ein inoffizieller Ländervergleich zwischen Frankreich und Deutschland. Während dabei alle vier angetretenen französischen Vereine die drei Finals erreichten, ist Duisburg der einzige Bundesligist, der noch Hoffnung aus dem Strohhalmcup saugt.

Und gleich den Gegner mit dem klangvollsten Namen erwischte. Auxerre ist als internationaler Lieblingsgegner Borussia Dortmunds bekannt und schaffte in der vorletzten Spielzeit in Frankreich das Double. Wäre man nun an diesem Abend zum Beispiel in Gelsenkirchen gewesen, hätten die heimischen Fans wohl gesungen: „Und ihr wollt AJ Auxerre sein?!“ Es ließ sich nicht einmal erahnen, wie diese Elf in ihren vier UI-Cup- Gruppenspielen 19 Tore geschossen hatte. Gegen Duisburg hatte sie nicht eine einzige Möglichkeit dazu. Was genauso für die mangelnde Durchschlagskraft dreier Angreifer sprach, wie die nüchterne Prognose eines MSV-Fans bestätigte: „Die Mannschaft muß noch geboren werden, die gegen uns eine Torchance erarbeitet.“ Fürwahr, erfunden werden muß wohl der Gegner, dem es nicht beizeiten die Lust raubt, gegen diese präzise, nie unaufmerksame Hau- weg-den-Ball-Defensive überhaupt noch Angriffszüge zu versuchen. Duisburgs Torwart Gill hätte in der zweiten Halbzeit auch Pommes rot-weiß für die etwas mager aussehenden Balljungen holen gehen können, ohne der Arbeitsverweigerung bezichtigt zu werden.

Auf der anderen Seite hatte Duisburg, ebenfalls mit drei Stürmern, zwar in der ersten Halbzeit acht und in der zweiten noch zweieinhalb Torversuche – doch zum Erfolg führte keiner. Das einseitige Fußballerlebnis ohne zählbare Belohnung machte Auxerres Trainer Guy Roux nicht froh und Funkel nicht traurig. Roux, in seinem 37. Jahr als AJ-Trainer in einem wahlweise abergläubischen oder weisen Alter angelegt, orakelte, seine Mannschaft scheide bei Remis im Hinspiel immer aus. Funkel war wegen der Auswärtsstärke des MSV „guter Dinge, daß wir im Rückspiel weiterkommen“. Vielleicht kehrt dann eines Spieltages auch der Gesten- und Bewegungsminimalist Sandor Puhl an die Wedau zurück. Das allein wäre es schon wert. Katrin Weber-Klüver

AJ Auxerre: Cool – Ciechelski, Silvestre, Danjou, Rabarivony – Jeunechamps, Lachuer (88. Sibierski), Lamouchi – Marlet, Guivarc'h, Diomede

MSV Duisburg: Gill – Wohlert, Emmerling, Komljenovic – Steffen, Zeyer, Hirsch, Neun – Salou (65. Wolters), Osthoff, Spies (83. Skoog)