Richter fordern Lampen für dunkle Amtsstuben

■ Europäischer Gerichtshof soll deutsches Informationsgesetz prüfen

Freiburg (taz) – In Deutschland werden Umweltdaten unzulässig verheimlicht. Zu dieser Auffassung kam das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster. Nach Auffassung der Richter verstößt das deutsche Umweltinformationsgesetz gegen EU-Recht. Kritisiert wird, daß nach dem deutschen Gesetz alle Daten verheimlicht werden können, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gesammelt wurden. Jetzt muß der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entscheiden.

Der Streit ist für die Auslegung der zugrundeliegenden EU-Richtlinie von zentraler Bedeutung. Setzt sich die Auffassung der Bundesregierung durch, wäre den Bürgern auch weiterhin der Zugriff auf 80 bis 90 Prozent aller Umweltdaten verwehrt.

Das Verfahren ausgelöst hat eine Bürgerinitiative aus Bönen bei Hamm. Eines ihrer Mitglieder wollte vom Bergamt Kamen Einzelheiten über die Sanierungsmaßnahmen auf einem ehemaligen Zechengelände der Ruhrkohle AG erfahren. Dort verweigerte man jedoch die Herausgabe von Gutachten und Akten, weil es sich um ein laufendes Verwaltungsverfahren handele. Konkret geht es um einen Antrag der Ruhrkohle AG, die vom Bergamt Kamen ihren „Betriebsabschlußplan“ abgesegnet bekommen wollte.

Der Umweltaktivist klagte gegen diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen und unterlag zunächst. Denn das deutsche Umweltinformationsgesetz erlaubt es tatsächlich, bei laufenden Verwaltungsverfahren Akteneinsicht zu verweigern. Die nächste Instanz, das OVG in Münster, dachte etwas gründlicher nach und kam zum Schluß: Das deutsche Gesetz ist viel enger als die zugrundeliegende EU-Richtlinie und deshalb rechtswidrig. Diese Auffassung hat das OVG jetzt auch dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur endgültigen Entscheidung vorgelegt.

Nach dem Wortlaut der EU- Richtlinie kann die Auskunft nicht nur bei laufenden Gerichts- und Ermittlungsverfahren verweigert werden, sondern auch in „Vorverfahren“. Die Bundesregierung legte den Begriff so weit wie möglich aus. Als „Vorverfahren“ gilt für sie jedes Verwaltungsverfahren, das später gerichtlich überprüft werden kann. Damit aber wäre der Sinn der Richtlinie in sein Gegenteil verkehrt. Statt die Auskunft zur Regel zu machen, würde hier den Behörden die Auskunftsverweigerung bei fast allen Bürgeranfragen erlaubt.

Freuen wird sich über den Münsteraner Beschluß auch die EU- Kommission in Brüssel. Sie hat bereits im letzten Dezember die Bundesrepublik wegen mangelhafter Umsetzung der Informationsrichtlinie beim EuGH verklagt. Christian Rath