Schlüsselkampf um Berliner Wasserbetriebe

■ Gegen Privatisierung wenden sich 5.000 Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe auf einer Großveranstaltung. Angebot von bis zu drei Milliarden Mark

Berlin (taz) – Das hart am Bankrott agierende Berlin trifft beim Ausverkauf seines Eigentums auf Widerstand. Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hat gestern angekündigt, die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe (BWB) zu verhindern. „Wir werden um die Wasserbetriebe kämpfen“, sagte der Vorsitzende der Berliner ÖTV, Kurt Lange, vor rund 5.000 Beschäftigten einer Personalversammlung in der Deutschlandhalle. Die BWB ist das größte Wasserver- und -entsorgungsunternehmen der Bundesrepublik. Mit dem Energieversorger Bewag, der gerade für drei Milliarden Mark an Private verkauft wurde, und den ebenfalls feilgebotenen Gaswerken würde sich das Land damit von seinen lukrativsten Eigenbetrieben trennen.

Den Verkauf der Wasserbetriebe kann der Gesamtpersonalrat über einen Umweg unterbinden: Die ingesamt rund 7.000 Beschäftigten haben ein sogenanntes Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst – falls das kapitalkräftige Unternehmen (4,5 Milliarden Mark Rücklagen) privatisiert wird. Gelingt es dem Personalrat, die Belegschaft für das Rückkehrrecht zu mobilisieren, steht das Land vor einer heiklen Situation: Es müßte ein Unternehmen an die Börse bringen, das keine Beschäftigten mehr hat. „Das ist für uns der Schlüsselkampf um die Eigenbetriebe“, betonte Personalratsvorsitzender Norbert Öttl. Und Lange, Chef von 130.000 ÖTV- Mitgliedern an der Spree, sprach dem Kampf um die Wasserbetriebe „eine neue Qualität“ zu. Es gehe um die Zukunft des öffentlichen Dienstes als Ganzes.

Die Landesregierung von CDU und SPD hatte erst am Dienstag beschlossen, die Berliner Wasserbetriebe in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Dies sei notwendig, um das derzeit als Anstalt des öffentlichen Rechts geführte Unternehmen, „schlagfertig“ zu machen. Vor wenigen Monaten waren von Wasserkonzernen wie der Eura- Wasser drei Milliarden Mark für die BWB geboten worden. Berlin benötigt den Verkaufserlös für die Wasserbetriebe im kommenden Jahr, um ein erwartetes Defizit von zehn Milliarden Mark (bei Ausgaben von rund 42 Milliarden Mark) zu verringern.

Die Koalition entsandte gestern erfolglos ihre starken Männer in die Personalversammlung. Die Wasserwerker spielten zu Beginn der Veranstaltung Politikeräußerungen ein, in denen diese im Dezember 1996 die Wasserbetriebe gelobt hatten. Eine Privatisierung komme nicht in Frage, hatte etwa Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) damals versprochen. Nun mußte er eingestehen, daß sich die Finanzsituation und seine Meinung geändert habe. Die Reden der Politiker gingen zeitweise in einem gellenden Pfeifkonzert unter. Christian Füller