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„Keinen halben Hamburger Hafen“

■ Mit Hochdruck arbeitet die Wirtschaftsbehörde an der Hafenerweiterung in Altenwerder / Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus und sein Staatsrat Heinz Giszas im taz-Interview

taz: Herr Rittershaus, wann rechnen Sie mit dem Planfeststellungsbeschluß für die Hafenerweiterung in Altenwerder?

Rittershaus: In diesen Wochen.

taz: Das hätten wir gern ein bißchen genauer

Rittershaus: Ich kann mich nicht exakt festlegen. Der Beschluß ist ein Werk von rund 500 Seiten, das sorgfältig geprüft werden muß. Aber wir sind jetzt in der Endgenehmigungsphase.

taz: Wann wird der erste Spatenstich in Altenwerder getan werden?

Giszas: Sobald ein bestandskräftiger Beschluß auf dem Tisch liegt, werden wir anfangen...

Rittershaus: ...und könnten dann die ersten Betriebsaufnah-men in fünf Jahren haben.

taz: Sie werden mit Klagen zu rechnen haben, über die letztinstanzlich kaum in diesem Jahrhundert entschieden werden wird.

Giszas: Wir sind nicht besorgt, daß sich der Beginn der Hafenerweiterung durch juristische Komplikationen verzögern könnte.

Rittershaus: Wir haben alle Planungen auf einwandfreier rechtlicher Basis durchgeführt. Es wäre ja Wahnsinn, wenn man solche Investitionen rechtlich nicht sauber in dem Rahmen hält, der vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist.

taz: Das heißt auch, Sie werden Sofortvollzug beantragen?

Giszas: Wenn wir das nicht tun, wird sich die ganze Angelegenheit über Jahre hinziehen. Auf Sofortvollzug zu verzichten hieße ja, daß wir uns bezüglich unserer rechtlichen Abwägungen nicht sicher sind. Das aber ist nicht der Fall.

taz: Trotz der Bedenken bzgl. der Rechtmäßigkeit des Hafenentwicklungsgesetzes, auf dem die Erweiterung basiert.

Giszas: Diese Debatte haben wir bereits Anfang der 80er Jahre in aller Ausführlichkeit geführt. Die Tatsache, daß durch das Hafenentwicklungsgesetz praktisch die Bebauungsplanung im Hafen ersetzt wird, ist im Gesetz fixiert. Dazu gibt es Gutachten und Gerichtsurteile, die unsere Position klar bestätigen. Deshalb haben wir keine Bedenken, daß jemand die Gesetzgebungskompetenz Hamburgs in diesem Punkt erfolgreich in Frage stellen kann.

taz: Selbst die der Wirtschaftsfeindlichkeit gänzlich unverdächtige Handwerkskammer hat in einem Brief massive Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Planungsgrundlagen geäußert...

Giszas: ... und anschließend in einem zweiten Schreiben deutlich gemacht, daß sie sich offensichtlich nicht hinreichend mit den Rechtsgrundlagen auseinandergesetzt hat. Das möge man ihr zugestehen.

taz: Laut Hafenentwicklungsgesetz ist im Hafengebiet eine hafenfremde Nutzung nur bedingt erlaubt. Wie steht es mit der Zulässigkeit von Aluminiumwerk, Buddy-Holly-Show, MVA?

Giszas: Der Hamburger Hafen ist ja nicht nur Umschlagplatz, sondern auch Industrie- und Dienstleistungsstandort. Was Buddy-Holly angeht: Die Show ist nicht auf Dauer auf dem Gelände angesiedelt. Vorgesehen sind Umschlag- und Lagerareale sowie Büroflächen. Und was spricht dagegen, die Fläche zwischenzeitlich anders zu nutzen?

taz: Reden wir über Alternativen zur Hafenerweiterung. Da gibt es zuerst die Nullvariante. Selbst das von Ihnen in Auftrag gegebene „Planco-Gutachten“ sagt aus, daß Hamburg auch ohne Hafenerweiterung ein wichtiger Containerhafen bleiben würde.

Rittershaus: Die ganzen Erweiterungs-Planungen der 70er und 80er Jahre sind ja alle vor der Wende eingeleitet worden. Und seit der Wende haben sich die Zuwachsraten des Hafens in der Regel zwischen sechs und zwölf Prozent eingependelt. Wir rechnen nach vorsichtigen Schätzungen mit einer Verdoppelung des Containerumschlags in den nächsten sechs bis zehn Jahren. Wenn die Märkte im Osten voll erschlossen sind, sind diese Schätzungen nicht unrealistisch. Für diese Verdoppelung des Containerumschlags brauchen wir mindestens die eineinhalbfache Fläche allein im Containerbereich. Und wenn Sie sich mal die in Rotterdam oder Bremen zur Verfügung stehenden Flächen angucken, wird klar, daß wir ausbauen müssen um konkurrenzfähig zu bleiben und unsere Arbeitsplätze zu erhalten.

taz: Wir kennen solche Prognosen. Schon Mitte der siebziger Jahre verlautbarte die Wirtschaftsbehörde: Wenn der Hafen nicht in zehn Jahren erweitert wird, ist er nicht mehr konkurrenzfähig. Bewahrheitet hat sich das nicht.

Rittershaus: In diesen zehn Jahren hat sich die Logistik geändert, haben sich die Liegezeiten verkürzt. Container werden jetzt statt in 40 in 20 Stunden umgeschlagen. Also können auch doppelt soviele auf gleicher Fläche umgeschlagen werden. Doch wir haben jetzt eine Grenze erreicht, die eine weitere deutliche Verkürzung unmöglich macht. Jetzt kommt der Quantensprung: Wir müssen, um künftigen Anforderungen gerecht zu werden, zusätzlich in Flächen investieren.

taz: Die könnten aber auch – das beweist sogar eine Studie ihrer Behörde – im Bereich des Petroleum- und Dradenauhafens liegen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß auf die Flächen in Altenwerder gänzlich verzichtet werden könnte.

Giszas: Die Alternativen Dradenau- und Petroleumhafen haben wir intensiv geprüft. Man muß sowohl Kosten, Machbarkeit, als auch Konzeption betrachten. Altenwerder ermöglicht auf engstem Raume die Verflechtung aller Funktionen, vom Umschlag über Lager bis zum Weiter-Transport auf allen möglichen Verkehrswegen. Dies haben Sie in einer so kompakten und modernen Kriterien entsprechenden Form weder am Dradenau- noch am Petroleumhafen. Und eine Kompaktlösung durch zwei halbfertige zu ersetzen, ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll.

taz: Eine neue Studie der UmweltschützerInnen vom BUND kommt zu einem anderen Ergebnis: Danach wäre eine Hafenerweiterung im Bereich des Petroleum- und Dradenauhafens die bessere und billigere Alternative.

Giszas: Wir haben die BUND-Studie in der letzten Woche zum ersten Mal gesehen, jetzt werden wir prüfen, wo der Denkfehler liegt. Altenwerder ist nach wie vor die günstigste Lösung. Allein der Ausbau der Zufahrt des Köhlfleetes zum Dradenauhafen würde über 200 Millionen Mark kosten, weil größere Containerschiffe jetzt dort nicht um die Ecke fahren können.

taz: In Altenwerder soll eine Kaimauer entstehen, für die es noch kein Planfeststellungsverfahren gibt. Es gibt Bedenken, daß durch die Bauarbeiten und die Elbvertiefung Elbwasser ins Grundwasser eindringen könnte.

Giszas: Sie haben da extreme Annahmen getroffen.

taz: Die entnehmen wir aus Ihrer Studie.

Giszas: Die Studie beschreibt das Schlimmste, was kommen kann. Und dann wird aufgezeigt, wie dieser Fall verhindert werden kann. Wir haben das sorgfältig analysiert, haben Untersuchungen zur Fließrichtung und zum Gefälle-Potential durchgeführt. So daß wir jetzt sagen können: Diese Besorgnis besteht zu unrecht. Eine Kaimauer ist eine dichte Wand, die sogar eine Verbesserung der derzeitigen Situation bringt.

taz: Ein Restrisiko bleibt trotz der Kompensationsmaßnahmen, heißt es in Ihrer Studie.

Rittershaus: So ein Risiko hat man überall, wo Menschen Veränderungen herbeiführen. Bei der Planung sind aber auch die Auswirkungen der 1 400 Meter langen Kaimauer und die Vertiefung der Sü-derelbe einbezogen worden. Und diese Untersuchungen werden noch einmal vertieft werden. Das schreibt die Umweltverträglichkeitsprüfungvor.

taz: Können Sie eine Trinkwassergefährdung ausschließen oder nicht?

Giszas: Ausschließen. Ja, praktisch ausschließen.

taz: Die Hafenerweiterung macht ohne private Investitionen in Millionenhöhe keinen Sinn. Wir haben den Eindruck, daß Investoren nicht gerade Schlange stehen.

Rittershaus: Wir stehen weltweit mit Unternehmen in Verhandlungen, die sich natürlich noch in der Frühphase befinden. Die Stadt gibt über laufende Verhandlungen aber naturgemäß keine Auskunft.

taz: In welcher Größenordnung rechnen Sie mit Investitionen?

Rittershaus: Mindestens 600 Millionen werden dort von privaten Nutzern in die Suprastruktur investiert werden müssen.

taz: Was bringen die Gesamtinvestitionen von über einer Milliarde Mark an neuen Arbeitsplätzen?

Rittershaus: Ich würde die Zahl ganz grob mit bis zu 4 500 beziffern. Das wird vor allem den Dienstleistungsbereich betreffen. Die Zuwachsraten beim Umschlag werden aber durch permanente Rationalisierung nur teilweise zu neuen Arbeitsplätzen führen. Viel wichtiger aber ist: es gibt keinen halben Hafen für kleine Schiffe. Es gibt nur einen ganzen Hafen, der international konkurrenzfähig sein und von den großen Reedereien angelaufen werden muß, wenn wir nicht einen Großteil der 140 000 Arbeitsplätze gefährden wollen, die direkt oder indirekt vom Hafen abhängen.

taz: Bevor Sie erweitern können, müssen Sie die letzten EinwohnerInnen Altenwerders noch enteignen und zwangsumsiedeln. Ein solches Verfahren wird Jahre kosten.

Giszas: Wir setzen auf das Gespräch mit den Einwohnern.

taz: Wenn die EinwohnerInnen auch dann nicht weichen wollen?

Rittershaus: Das ist auch eine Frage des Preises und der Übernahmekonditionen. Wir werden einen konsensualen Weg suchen. Ich bin jetzt nicht bereit zu spekulieren, was passiert, wenn es nicht zu der von uns gewünschten Einigung kommt.

Das Gespräch führten Heike Haarhoff und Marco Carini

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