Fanatisierte Bartträger bringen Heil

■ Die Komödie „Bab El-Oued City“ eröffnet die Reihe Filme aus Algerien im 3001

Im Spannungsfeld fundamentalistischer Attentate und einer zwischen liberalen Tendenzen und Strenggläubigkeit lavierenden Militärregierung ist das Drehen von Filmen in Algerien zu einer lebensgefährlichen Aufgabe geworden. „Die meisten algerischen Regisseure leben zur Zeit im Ausland“, sagt Rachid Naffir, Gründer und seit 20 Jahren Leiter der Kinemathek in Constantine, der bis zum nächsten April Gast der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte ist. „Man müßte von Schwerbewaffneten geschützt arbeiten“, denn unberechenbar sind die Gesetze der selbsternannten jugendlichen Heilskrieger, die sich aufgrund ihrer verzweifelten sozialen Situation bis zum Morden fanatisieren lassen. Eine beinahe heitere Komödie wie der 1993 gedrehte Film Bab El-Oued City, an dessen Herstellung er als Produzent beteiligt war, sei heute nicht mehr zu realisieren.

Bab El-Oued City ist ein Viertel in Algier, hier lebt der junge Bäckergeselle Boualem. Tagtäglich dröhnen ihm aus einem der übers Viertel verteilten Lautsprecher religiöse Losungen ins Ohr. Eines Tages rastet er aus, reißt die von Heilsbotschaften quäkende Flüstertüte von der Wand und wirft sie ins Meer. Die Kurzschlußhandlung ruft eine Gruppe jugendlicher fanatisierter „Bartträger“ auf den Plan, die Rache gegen den Urheber dieses in ihren Augen kapitalen Verbrechens schwören. Unseligerweise ist ausgerechnet Said, der Anführer der selbsternannten Heilskrieger, der Bruder von Yanina, in die sich Boualem verliebt hat. Said sieht nun seine Ehre als Moslem und Bruder beschmutzt, ein anderer postuliert: „In diesem Land müssen Waffen sprechen!“ Das sieht der besonnene alte Imam des Viertels ganz anders und versucht – vergeblich –, die Jugendlichen von ihrem Racheabenteuer abzuhalten: „Gewalt erzeugt wieder Gewalt.“

Im ungewissen bleiben die Hintermänner Saids und seiner Freunde. An Geld kann es ihnen nicht mangeln, sie fahren bayerische Autos und tragen dunkle Sonnenbrillen. Zu positiv empfindet Rachid Naffir heute die Darstellung der jugendlichen Fanatiker. Die Situation hat sich verschärft, die Terrorkommandos machen ihre Gesetze selbst, und niemand weiß sich in Sicherheit, wenngleich auch heute viele Frauen auch weiterhin den Tschador ablehnen und die Fundamentalisten keine Unterstützung bei der Mehrheit der Bevölkerung finden. So nah an den Touristen-ghettos des in Deutschland so beliebten Reiselands Tunesien gelegen und gleichzeitig so fremd und fern, läßt sich Algerien derzeit kaum sicherer entdecken als in den maghrebinischen Filmimpressionen.

Monika Filter

3001-Kino: Bab El-Oued City in Anwesenheit von Rachid Naffir, 25. Mai bis 31. Mai, jeweils 20.30 Uhr. Die weiteren Filme der Reihe sind bitte unserem Kino-Programm zu entnehmen.