Coco als Workaholic

■ Hammoniale: Verena Weiss tanzte „Coco's Last Collection“ und „November“

Letzte Stationen im Leben eines Menschen will Verena Weiss mit ihren Stücken Coco's Last Collection und November zeigen. Ursprünglich für die Biennale in München produziert, waren die Choreografien am Montag zum ersten Mal in Hamburg bei der Hammoniale auf Kampnagel zu sehen.

In einem altmodischen, cremefarbenen Chanel-Kostüm sitzt die geniale Modemacherin an ihrer Nähmaschine. Selbst bei der Arbeit ist sie korrekt gekleidet – weder Hut noch Perlenkette fehlen. Verena Weiss zeigt die Chanel als alte Frau, die ihre Gebrechlichkeit nicht wahrnehmen will. Sie ist eine Workaholic, die hektisch an neuen Modellen arbeitet, Stoffe auf Puppen zu Kleidern steckt. Bis zum Schluß gönnt sie sich keine Ruhe, läßt sich keine Nachlässigkeit durchgehen. Der prüfende Blick in den Spiegel scheint ihr zur zweiten Natur geworden zu sein. Begleitet wird Verena Weiss bei dieser Charakterstudie von Klaviermusik im Nähmaschinen-Rhythmus.

Abstrakter präsentieren sich die beiden Teile von November, zu denen Erzählungen von Anton Tschechow die Vorlage geliefert haben. Ein Mann im schwarzen Gehrock liest ein Buch. Die Lektüre nimmt ihn ganz gefangen, nicht einen Moment lassen seine Augen die Seiten los. Allmählich ergreift das Buch Besitz von seiner Phantasie und von seinem Körper. Er hüpft, tanzt, fliegt und schwimmt. Neben dem Buch ist ein Hocker das einzige Requisit, das Verena Weiss braucht, um die Seelenzustände dieses Mannes darzustellen.

Ganz ohne Musik tanzt sie im zweiten Teil einen Menschen, der eine riesige Holzkiepe auf dem Rücken mitschleppt. Graue Stöckchen sind hier Requsit, Muster auf dem Boden und Impuls für rhythmische Bewegungen.

Drei Menschen, die sich jeder auf seine Weise mit dem Alter auseinandersetzen, wollte Verena Weiss zeigen. Bei Coco Chanel und dem alten Holzsammler war das zu sehen. Der Büchernarr aber schien alterslos. Und doch bot gerade dieses Stück stimmige Situationen, überzeugende Bewegungen – Tanz eben. In Coco's Last Collection dominierte dagegen hektisches Gehen die Szene, tänzerischer Ausdruck blitzte nur in kurzen Momenten auf. Iris Schneider