Staatsfeind Nr. 1 als Drogenbeauftragter

■ Zum 20. Todestag des King: Alle lieben Elvis                      Presley– und alle aus unterschiedlichen Gründen

Die Haare sind verwuselt wie bei einem kleinen Jungen, und sein viel zu enges Kellnerjäckchen scheint unangenehm zu zwacken. So steht Elvis auf der Bühne in King Creole, einem in krassen Schwarz-weiß-Konturen gehaltenen Film über das Leben zwischen Straßen-Gang und erstem Plattenvertrag. Als der Knabe da zuerst ein bißchen bedröppelt von der Bühne blinzelt, lacht das Publikum nur hämisch.

Natürlich nicht lange. Denn schließlich beginnt Elvis in messerscharfen Stakkati zu rocken: „If you are looking for trouble, you have come to the right place. If you are looking for trouble, look right into my face.“Danach nennen ihn im Film nur noch alle King Creole – im wirklichen Leben trug er ja eh schon lange den Titel eines Königs.

Aber was heißt hier eigentlich wirkliches Leben? Daß dieser Mann sowas wie ein wirkliches Leben gehabt hat, scheint ganz und gar unmöglich. Auch wenn natürlich all die Exegeten und Verschwörungstheoretiker, die jetzt noch einmal aus Anlaß seines 20. Todestages zu Wort kommen, ganz genau wissen, wer der Mann war, der eigentlich nur aus Liebe zu seiner Mama einen Song aufgenommen hatte, aber ganz zufällig zum größten Pop-Star des Universums wurde. Der Titel „King“, das sollte vielleicht einmal in diesem Zusammenhang gesagt werden, ist bei so einem eine Untertreibung.

Wer will, kann in Elvis Presley alles sehen: eine Wissenschaft oder ein Mysterium, Amerikas Staatsfeind Nummer eins oder Bill Clintons Vorbild, einen Sexteufel oder einen Sittenwächter. Paßt irgendwie alles. Und wer sich überhaupt nicht auskennt, kann sich von einem der vielen Kompendien ins Thema einführen lassen. Die jüngeren unter unseren LeserInnen tun das mit „Elvis für Anfänger“, das in einer Reihe des Rowohlt-Verlages erschienen ist, wo es sonst um Einstein oder Freud geht. Berühmte Figuren im Entwicklungsprozeß der Menschheit sind das zwar auch, im Vergleich mit Elvis aber nur zweite Liga.

Erstaunlich, daß jemand, der King gerufen wird, total hilflos gegen jedwede Vereinnahmung gewesen ist. In King Creole aus dem Jahr 1958, der heute noch einmal im Metropolis gezeigt wird, macht er zwar den Eindruck, als ließe er sich von niemandem etwas sagen, und eine deutliche Sprache sprechen da die rhythmischen Zuckungen seines Gesichts und die widerborstigen Bewegungen, mit denen er seinen Kopf nach vorne stößt. Tatsächlich aber ließ er fast alles mit sich machen, wahrscheinlich auch ganz bewußt. Zum Beispiel nahm er in Kauf, den Machenschaften der Mafia seiner Heimatstadt Memphis ausgeliefert zu sein, was ja auch als melodramatische Analogie in King Creole angedeutet wird – obwohl er als Filmheld natürlich geläutert und gestärkt aus dem Krieg mit den Musik-Mafiosi hervorgeht.

Interessant ist in dieser Hinsicht natürlich auch das Verhältnis des Rebellen zur Obrigkeit. Die ließ ihm bei ersten Fernsehauftritten zwar das unerhört rotierende Becken abschneiden, nutzte gleichzeitig jedoch den Werbeträger Elvis, indem sie ihn Ende der fünfziger Jahre als GI die Army promoten ließ. Alles lief also bestens zwischen Establishment und Entertainment, obwohl die Staatsbeamten dem Rock'n'Roller dann doch nicht richtig vertrauen wollten. Weshalb es einen Haufen FBI-Akten über ihn gibt. Noch bizarrer ist allerdings die Tatsache, daß er unter Nixon als „special assistant to the bureau of narcotics und dangerous drugs“gegen den Drogenmißbrauch zu Felde zog. Was ihn allerdings nicht daran hinderte, nach Büroschluß dann doch alle erdenklichen pharmazeutischen Erfindungen auszuchecken. Allein in seinem Todesjahr soll er – es gibt ja immer Leute, die sowas nachrechnen - 5300 Schmerztabletten eingeworfen haben.

Nein, eine klare Linie ist bei Elvis nicht auszumachen. Und selbst sein Geist, der sich regelmäßig materialisiert, seit er am 16. August 1977 auf der Toilette entschlafen ist, tritt recht unentschieden auf. In Jim Jarmuschs Mystery Train etwa erscheint er zwei japanischen Fans beim Memphis-Besuch in einem verwunschenen Hotel – weil er sich in der Zimmernummer geirrt hat. Eine recht erratische Erscheinung ist das. In True Romance hingegen tritt der Geist von Elvis stets ins Bild, wenn der Held des Films zaudert. Dann rät er: „Shoot him in the face!“Aber das sagt wahrscheinlich weniger über den Star aus als über die Menschen, die ihn zu sehen glauben. Dieses Erklärungsmuster des Phänomens Elvis Presley, daß er nämlich die perfekte Projektionsfläche ist, wäre eines von ungefähr zwei Millionen. Was es nicht weniger einleuchtend macht: Jeder nimmt sich vom King, was er braucht.

Christian Buß

Metropolis: Am Sa, 16. August, werden ab 20 Uhr die Filme „King Creole“und „Roustabout“gezeigt, außerdem spielen live The Bluemoon Alligators

Große Freiheit : Am Sa, 16. August, werden ab 21 Uhr die Filme „Elvis On Tour“und „Turntable Rock'n'Roll“gezeigt, außerdem spielen live The Golden Memories Of Elvis

Alabama : Am Mo, 18. August, wird (umsonst und draußen) „Blaues Hawaii“gezeigt